Parlament

Sobotka: Wahrheitspflicht im U-Ausschuss abschaffen?

Sorgt mit seinem Vorstoß gegen die Wahrheitspflicht für Empörung: Nationalratspräsident Wolfang Sobotka (ÖVP)
Sorgt mit seinem Vorstoß gegen die Wahrheitspflicht für Empörung: Nationalratspräsident Wolfang Sobotka (ÖVP)APA/ROLAND SCHLAGER
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In einem TV-Interview spricht der Nationalratspräsident von „ungeheurer Sorge“ von Auskunftspersonen in U-Ausschüssen, „etwas Falsches zu sagen“. Für seine Äußerung gab es heftige Kritik von FPÖ, SPÖ und Neos.

Nachdem er sich am Wochenende dafür ausgesprochen hatte, den U-Ausschuss-Vorsitz Richtern zu übertragen, legte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Montag einem Vorab-Bericht zufolge in der "Puls 24"-Sendung "Milborn" nach: "Bei uns hat jede Person, die Auskunftsperson ist, eine ungeheure Sorge, dort etwas Falsches zu sagen, weil sie dort unter Wahrheitspflicht steht. In Deutschland gibt es das nicht", sagte er da - fügte aber hinzu: "Man kann sich da viele Dinge überlegen, wenn man einen Konsens findet."

Dass es den nicht gibt, machten die Oppositionsparteien umgehend klar. Christian Hafenecker (FPÖ) zeigte sich in einer Aussendung empört über diesen "wahnwitzigen Vorschlag", der darauf hinauslaufe, "die Lüge in Untersuchungsausschüssen zu legalisieren". "Das schlägt dem Fass den Boden aus", befand er - unter Hinweis darauf, dass es bisher nur Angehörige der ÖVP gewesen seien, deren mutmaßliche Falschaussagen zu Anzeigen bei den Behörden geführt hätten. Aktuell läuft der sogenannte Ibiza-U-Ausschuss, bei dem Sobotka den Vorsitz führt.

SPÖ ortet „Problem mit der Wahrheit“, Krisper Verbindung mit Kurz-Anzeige

Norbert Hofer, FPÖ-Parteichef und Dritter Präsident des Nationalrats, hielt in einer Aussendung Dienstagfrüh fest: „Wenn die Wahrheitspflicht aufgehoben wird, dann verfehlen die Untersuchungsausschüsse ihren eigentlichen Zweck, nämlich die Aufarbeitung und Klärung der politischen Verantwortung für die zu untersuchenden Sachverhalte.“

Als „eigentlich ein sehr erbärmliches und durchschaubares Schauspiel“ bezeichnete Neos-Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger den Vorstoß in einer Pressekonferenz am Dienstag. „Das ist so wahnsinnig plump, beinahe grotesk, gibt es eigentlich irgendeinen Menschen in Österreich, der das nicht durchschaut?“ Jedenfalls vier der ÖVP nahe stehende Personen würden im Verdacht stehen, nicht wahrheitsgemäß im U-Ausschuss ausgesagt zu haben, meinte sie, „und jetzt will man die Wahrheitspflicht abschaffen? Die sollen lieber die Wahrheit sagen und nicht die Wahrheitspflicht abschaffen."

"Ungeheure Sorge" müssten nur Auskunftspersonen haben, die "wissentlich die Unwahrheit" sagen, stellte ihre Parteikollegin Stephanie Krisper tags zuvor fest. Sie hielte das Gegenteil für geboten: "Statt die Wahrheitspflicht abzuschaffen, müssen wir viel eher dafür Sorge tragen, dass Falschaussagen in Untersuchungsausschüssen von der Justiz auch gewissenhaft verfolgt werden und endlich auch Konsequenzen haben." Für Krisper ist es "bezeichnend und selbsterklärend, dass Sobotka genau jetzt, da wir Bundeskanzler Kurz und andere hochrangige ÖVP-nahe Personen wegen des Verdachts der Falschaussage angezeigt haben, laut über die Abschaffung der Wahrheitspflicht nachdenkt".

"Im Parlament die Wahrheit zu sagen kann doch nicht zu viel verlangt sein", meinte auch Kai Jan Krainer (SPÖ) auf Twitter. Aber es sei "leider nichts Neues", dass "Wolfgang Sobotka ein Problem mit der Wahrheit" habe, legte er dem Nationalratspräsidenten den umgehenden Rückzug aus dem Ibiza-U-Ausschuss nahe.

Zu Wort meldete sich auch der deutsche Journalist Oliver Das Gupta: „Was Sobotka hier behauptet, stimmt übrigens nicht: Auch in Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages unterliegen ZeugInnen der Wahrheitspflicht“, schrieb der „SZ"-Redakteur ebenfalls auf Twitter. Lügen vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss hätten in Deutschland bereits zu Verurteilungen vor Gericht geführt.

Problem Entschlagungen?

Nach der Aussendung von „Puls 24“ ergänzte der Sprecher Sobotkas, dass der Grund für Sobotkas Aussage der Umstand sei, dass sich Auskunftspersonen, gegen die parallel ein Strafverfahren läuft, "in Permanenz entschlagen können". Das unterbreche nicht nur den Befragungsfluss, sondern sei auch für die Klärung der politischen Verantwortung oft kontraproduktiv. Mit einer diesbezüglichen Änderung der Verfahrensordnung könnte man diese "Pattsituation" lösen - "das und nichts anderes hat der Präsident zum Ausdruck gebracht", wollte man sich in Sobotkas Büro verstanden wissen.

Auskunftspersonen vor diesem Hintergrund „einfach von der Wahrheitspflicht“ zu entbinden, könne nicht die Lösung sein, meinte Norbert Hofer dazu: „Es ergibt wenig Sinn, wenn sich Auskunftspersonen zwar nicht entschlagen, aber dafür ohne jegliche Konsequenzen die Unwahrheit sagen dürfen. Dadurch
wird es unmöglich, Sachverhalte im Ausschuss seriös aufzuklären.“ Vielmehr plädiere er dafür, die Sitzungen von U-Ausschüssen öffentlich zugänglich zu machen.

(APA/Red.)

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