Der Wurm "Stuxnet" wütet in 30.000 Computern iranischer Industrieanlagen. Er ist speziell für Steuerungsanlagen konzipiert. Sicherheitsexperte Kaspersky vermutet einen Cyberangriff mit staatlicher Hilfe.
Der Iran kämpft gegen einen Computerwurm, der sich immer mehr in den Industrieanlagen des Landes ausbreitet. Insgesamt seien 30.000 Computer befallen, sagte ein Experte der iranischen Agentur Mehr. Der Wurm, der von IT-Sicherheitsexperten den Namen "Stuxnet" bekam, ist auch in der Lage, ganze Fabriken und Kraftwerke zu "übernehmen", wie iranische Medien berichteten.
Vertreter der iranischen Atomenergiebehörde kamen in dieser Woche zu Beratungen zusammen, wie der Wurm wieder aus den Rechnern entfernt werden kann. Wer hinter dem Programm steckt und welche Ziele er verfolgt, ist zumindest offiziell noch unbekannt.
Spezialisiert auf Steuerungsanlagen
Das besondere an Stuxnet ist, dass er wohl der erste Computerwurm ist, der eigens für Angriffe auf die Industrie-Steuerungsanlagen entwickelt wurde. Stuxnet hat nach Angaben der Sicherheitsfirma Symantec die Fähigkeit, Kontrolle über den Host-Rechner zu erlangen, ihn zu manipulieren und Daten an einen entfernten Server zu schicken. Die Sicherheitsexperten vermuten Industriespionage als Zweck des Wurms.
Die Sicherheitsfirma Kaspersky Lab erklärte, es handle sich um einen einzigartigen und sehr ausgefeilten Malware-Angriff, der mit fundiertem Wissen um die Industrieanlagensteuerung mit SCADA-Technologie (Supervisory Control and Data Acquisition) durchgeführt wurde. Kaspersky Lab geht deshalb davon aus, dass es sich um einen staatlich unterstützten Angriff handelt.
Kaspersky: Auftakt zum Cyberkrieg
"Ich denke, dass dies der Auftakt zu einem neuen Zeitalter ist: die Zeit des Cyberterrorismus, der Cyberwaffen und der Cyberkriege", sagte Eugene Kaspersky, Chef und Mitgründer von Kaspersky Lab. Dieses Schadprogramm sei nicht konzipiert worden, um Geld zu stehlen, Spam zu versenden oder persönliche Daten abzugreifen. Es sei entwickelt worden, um Fabriken und industrielle Anlagen zu sabotieren. Kaspersky Lab geht davon aus, dass Stuxnet der Prototyp von künftigen Cyberwaffen sein könnte und ein modernes Wettrüsten in Gang setzt.
Ziel von Stuxnet sei es, Zugang zu Anlagensteuerungen zu erhalten, wie sie weltweit bei Ölpipelines, Kraftwerken, großen Telekommunikationssystemen, Flughäfen, Schiffen und sogar Militäranlagen eingesetzt würden. Das Insiderwissen über die SCADA-Technologie, die Raffinesse des vielschichtigen Angriffs, die Ausnutzung mehrerer Windows-Schwachstellen und der Missbrauch von legitimen Zertifikaten legten nahe, dass Stuxnet von einem Team sehr gut ausgebildeter Fachkräfte entwickelt wurde, die über enorme Ressourcen und finanzielle Unterstützung verfügten, erklärte Kaspersky Lab.
In Deutschland zuerst entdeckt
Entdeckt wurde der Wurm von Experten in Deutschland. Die ersten befallenen Systeme wurden aus den Iran gemeldet, weitere Fälle gab es dann auch in Großbritannien, Indonesien, Indien und den USA. Schon die Tatsache, dass der Wurm zuerst im Iran auftrat, ließ Spekulationen aufkommen, Ziel von Stuxnet sei es, den Betrieb des ersten iranischen Atomkraftwerks in Bushehr zu stören, das im Oktober die Arbeit aufnehmen soll.
Auch in den USA wird der Wurm inzwischen aufmerksam beobachtet. Das Heimatschutzministerium baut ein Spezialistenteam auf, das bei Angriffen auf die Industrieanlagen des Landes schnell reagieren soll.
(Ag.)