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Die Fallstricke der Impf-Euphorie

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Langsam kommt die Immunisierung der Bevölkerung in Gang. Ein Blick auf die weltweiten Impf-Vorreiter zeigt aber, warum Österreich sich nicht zu früh freuen sollte.

19. Mai, der Tag der großen Hoffnung in Österreich. Ein Mittwoch, an dem wieder öffnen soll, was fast ein halbes Jahr so gut wie überall im Land geschlossen war: Gastronomie, Hotellerie, der Sport- und Kulturbereich. Zwar sollen Tests, FFP2-Masken und beschränkte Besucherzahlen verpflichtend sein. Aber das warme Wetter verlagert das Leben nach draußen, und die stotternd angelaufene Impfkampagne scheint nun auch besser in Gang gekommen zu sein. Sollte das nicht Grund zur Euphorie sein?

Der Epidemiologe Gerald Gartlehner, Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie an der Donau-Uni Krems, ist skeptisch. „Ich würde mir wünschen, dass die Regierung nicht nur ein Datum vorgibt, sondern auch einen weiteren Parameter“, sagt er.

Selbst wenn das Zusammenspiel aus Impfungen und warmem Wetter „uns helfen wird“, würde der Epidemiologe nicht pauschal öffnen, sondern – erneut – regional differenzieren. Eine Möglichkeit: Bundesländer, die eine Inzidenz unter 100 haben, dürfen aufsperren. Bei allen anderen sollte man anhand einiger Kriterien – wie der Zahl der belegten Intensivbetten – abwägen, ob sie öffnen dürfen oder nicht.
Wie schnell gute Zahlen sich wieder verschlechtern können, zeigt derzeit Vorarlberg: Dort öffneten in einem Pilotprojekt Mitte März die Gastronomie, Sport und Kultur, weil die Infektionen zurückgegangen waren. Zuletzt hatte Vorarlberg wieder die meisten Coronafälle pro 100.000 Einwohner aller Bundesländer.

Auch für Komplexitätsforscher Peter Klimek zeigt dieses Beispiel, dass viel Testen, die aktuelle Durchimpfungsrate und das wärmere Wetter allein „noch nicht ausreichen, um einen Anstieg an Infektionen zu verhindern“. „Wer öffnet, geht mit den Zahlen nach oben“, so Klimek zur APA.

Rund ein Fünftel aller Österreicher hat die erste Impfdosis bekommen, ein Zehntel ist voll immunisiert. Was passieren kann, wenn deswegen Sorglosigkeit einkehrt, und wie lang der Weg zur großen Öffnung sein wird, zeigt ein Blick auf jene Länder, die zu den Vorreitern beim Impfen zählen.

Chile: Die erste Euphorie kann gefährlich sein

Es ist noch nicht lang her, da schrieb auch „Die Presse“ vom „chilenischen Impfwunder“. Die Regierung des Andenstaates hatte sich früh mit Impfstoffen eingedeckt und sperrte deswegen früher als viele andere Schulen, Restaurants und Kirchen auf. Millionen Chilenen bekamen die Erlaubnis zum Sommerurlaub, der normalerweise zwischen Dezember und März gebucht wird. Sogar ins benachbarte Brasilien durften sie reisen.

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