Post-Coronapläne

Berlin und Paris wollen nach Corona den Takt vorgeben

APA/AFP/POOL/JOHN MACDOUGALL
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Deutschland und Frankreich präsentieren gemeinsam ihre Pläne für den wirtschaftlichen Wiederaufbau - der Fokus liegt auf Umweltschutz und Digitalisierung.

Berlin/Paris. Am kommenden Freitag endet die Frist, innerhalb derer die Mitgliedsstaaten der EU die Pläne für den Wiederaufbau ihrer durch die Pandemie gebeutelten Volkswirtschaften vorlegen sollen. Der Stichtag, der 30. April, ist laut EU-Kommission nicht verbindlich, doch die allermeisten EU-Mitglieder wollen sich daran halten. Am gestrigen Dienstag waren Deutschland und Frankreich an der Reihe: Die zwei größten Volkswirtschaften der EU stellten ihre Post-Coronapläne gemeinsam vor.

Der Auftritt der Finanzminister Olaf Scholz und Bruno Le Maire war nicht zuletzt als politisches Signal gedacht. Am ersten Höhe- bzw. Tiefpunkt der Krise im vergangenen Jahr lancierten Berlin und Paris einen gemeinsamen Vorschlag zur Schaffung eines europäischen Wiederaufbaufonds samt der erstmaligen Aufnahme von Schulden durch die EU, der im Sommer 2020 gegen den anfänglichen Widerstand der Gruppe der „frugalen“ Mitgliedsstaaten – darunter Österreich – beschlossen wurde. Mit der gestrigen Präsentation ihrer Finanzminister markierten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron ein symbolisches Ende der akuten Phase des Kampfs gegen die Coronarezession.

Spanien und Italien sind Hauptempfänger

Der mit 672,5 Mrd. Euro gefüllte Wiederaufbaufonds (RRF) ist Hauptbestandteil des 750 Mrd. Euro schweren „Next Generation EU“-Pakets, das im Vorjahr in Brüssel geschnürt wurde, um den Absturz der EU-Wirtschaft abzufedern. 312,5 Milliarden Euro der RRF-Mittel müssen nicht zurückgezahlt werden. Hauptempfänger dieser Zuschüsse sind Spanien (69,5 Mrd. Euro) und Italien (68,9 Mrd. Euro), auf Deutschland und Frankreich entfallen 25,6 bzw. 39,4 Mrd. Euro. Österreich kann auf 3,5 Mrd. Euro zählen.

Damit diese Gelder fließen können, müssen die Rezipienten Auflagen erfüllen – es geht dabei vor allem um prozentuale Mindestanteile für Investitionen in Digitalisierung (20 %) und Klimaschutz (37 %). Geht es nach den gestrigen Ausführungen der Finanzminister, werden die EU-Auflagen übererfüllt: So fließen laut Scholz 90 Prozent der Darlehen in diese beiden Kategorien – 14 Mrd. Euro in digitalen Wandel, elf Mrd. in die Klimapolitik. In Frankreich liegt das Verhältnis bei 50 Prozent Klima, 25 Prozent Digitalisierung.

Laut Le Maire wird das Geld aller Voraussicht nach erst ab September fließen – und damit etwas später als geplant. Parallel dazu will sich die EU laut Scholz auf einen Mindestsatz für Unternehmensteuern einigen. Gestern sprachen sich Berlin und Paris gemeinsam für den US-Vorschlag eines globalen Mindestsatzes von 21 Prozent aus – was innerhalb der EU vor allem Irland in die Defensive bringt, das sich mit einem Steuersatz von 12,5 Prozent als Standort für US-Konzerne wie Facebook oder Apple etabliert hat. Scholz sprach gestern jedenfalls davon, dass sich die EU „im Laufe des Sommers“ konsensual auf einen Kompromiss verständigen werde.

Kritik aus zwei Richtungen

Die Präsentation der deutsch-französischen Pläne sorgte in Deutschland für Kritik. Die Grünen, die sich in Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der CDU/CSU liefern und denen nach der Bundestagswahl im September die Rolle der Königsmacher zufallen dürfte, kritisierten, dass im deutschen Plan bereits beschlossene Umweltmaßnahmen recycelt werden. Dem CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber wiederum missfielen fehlende Strukturreformen im französischen Entwurf. Sobald alle nationalen Pläne in Brüssel eingelangt sind, müssen sie von der Kommission bewertet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2021)

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