Europaparlament bestätigt Brexit-Handelspakt

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Abgeordnete stimmten mit großer Mehrheit für das Abkommen.

Das Europaparlament hat dem Brexit-Handelspakt mit Großbritannien endgültig und mit großer Mehrheit zugestimmt. Dies teilte Parlamentspräsident David Sassoli am Mittwoch in Brüssel mit.

Wie EU-Parlamentspräsident David Sassoli am Mittwoch in Brüssel sagte, stimmten bei 697 abgegebenen Stimmen 660 Abgeordnete für das Abkommen, das einen Handel ohne Zölle und mengenmäßige Beschränkungen ermöglicht. Es soll nun Ende der Woche durch die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt endgültig in Kraft treten.

Die Zustimmung des Europäischen Parlaments beendet über vier Jahre heftiger Verhandlungen und Debatten, nachdem Großbritannien nach 47 Jahren aus der EU ausgetreten war.

„Letzter Schritt einer langen Reise“ 

Der britische Premier Boris Johnson begrüßte die Zustimmung des Europaparlaments zum Brexit-Handelspakt. "Diese Woche ist der letzte Schritt einer langen Reise, der Stabilität für unsere neue Beziehung mit der EU als wichtige Handelspartner, enge Verbündete und souveräne Gleichgestellte bringt", sagte er in London nach der Verkündung des Abstimmungsergebnisses. Nun sei es Zeit, sich auf die Zukunft zu freuen und "Global Britain" aufzubauen - so nennt Johnson seine Vision eines starken, unabhängigen Königreichs.

Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte das Votum. Das Abkommen sei "das Fundament für eine starke und enge Partnerschaft mit dem Vereinigten Königreich", erklärte sie auf Twitter. Sie forderte gleichzeitig Großbritannien auf, die Vereinbarung "gewissenhaft" umzusetzen.

„Misserfolg für beide Seiten“ 

Der EP-Abgeordnete Guy Verhofstadt, ein führender Politiker der liberalen Fraktion und ehemaliger Ministerpräsident Belgiens, schrieb auf Twitter: "Das erste Handelsabkommen in der Geschichte, das Barrieren errichtet und Freiheiten beseitigt? Ein Misserfolg für beide Seiten, aber besser als nichts."

Die Europäische Union und Großbritannien hatten das Abkommen nach monatelangen Verhandlungen zu Heiligabend 2020 unter Dach und Fach gebracht - nur eine Woche vor dem Ausscheiden des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion. Weil die Zeit zur Ratifizierung fehlte, wird es seit dem 1. Jänner bereits vorläufig angewandt. Ziel war, einen harten Bruch mit Rechtsunsicherheit und Chaos an den Grenzen zu verhindern.

Regeln und Kontrollen

Wichtigster Punkt des Vertrags ist, Zölle zu vermeiden, unbegrenzten Handel in beide Richtungen zu erlauben und Reibungsverluste so weit wie möglich zu begrenzen. Zollformalitäten und Kontrollen gibt es allerdings trotzdem. Unter anderem wird geprüft, ob Produkte wirklich hauptsächlich in Großbritannien hergestellt wurden und ob Lebensmittel geforderten Standards entsprechen.

Der Vertrag umfasst darüber hinaus Regeln zum Fischfang sowie die Zusammenarbeit bei Energie, Transport, Justiz, Polizei und vielen anderen Themen. Großbritannien gewinnt mit dem Pakt Zugang zum EU-Binnenmarkt. Im Gegenzug verlangte die EU faire Wettbewerbsbedingungen - das sogenannte Level Playing Field. Gemeint sind gleiche Umwelt-, Sozial- und Subventionsstandards.

Wichtiger Knackpunkt in den Verhandlungen war der Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern. Vereinbart wurde eine Übergangsphase von fünfeinhalb Jahren vor, in der EU-Fischer in britischen Gewässern 25 Prozent weniger fischen dürfen. Anschließend soll dies jährlich festgelegt werden. Aus französischer Sicht gibt es bei der Umsetzung allerdings Probleme und Verzögerungen.

Sanktionen sind möglich

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte den Vertrag in der Parlamentsdebatte am Dienstag gewürdigt und für die Annahme geworben. Das Abkommen schütze die Rechte der Bürger, verhindere erhebliche Brüche für die Wirtschaft, sichere den EU-Binnenmarkt und EU-Standards. Und es habe "Zähne" - einen Schlichtungsmechanismus und die Option einseitiger Sanktionen, falls es nötig werde.

Die EU beklagt Verstöße Großbritanniens gegen das bereits gültige EU-Austrittsabkommen von 2019 und die darin enthaltenen Sonderregeln für Nordirland. Deshalb hatte das EU-Parlament deshalb das Votum über den neuen Handelsvertrag um einige Wochen verzögert mit dem Argument: Warum den neuen Vertrag bestätigen, wenn der alte nicht eingehalten wird? Letztlich bekannten sich aber am Dienstag alle großen Fraktionen zur Ratifizierung. Sie gelang kurz vor Ende der mit Großbritannien vereinbarten Frist bis 30. April.

Im Juni 2016 hatte eine knappe Mehrheit der britischen Wähler in einem Referendum für den EU-Austritt des Landes gestimmt. Dieser wurde am 31. Jänner 2020 formal vollzogen. Allerdings gab es noch eine Übergangszeit bis 31. Dezember 2020, in der Großbritannien im Binnenmarkt und in der Zollunion blieb. Die tiefen Änderungen im Alltag kamen erst zum 1. Jänner 2021. Unter anderem brach der Handel zu Jahresbeginn drastisch ein.

Parlamentspräsident Sassoli hatte bereits am Dienstagabend klargestellt, dass die Union Verstöße Großbritanniens gegen den Brexit-Handelspakt keinesfalls dulden werde. "Wir werden die Umsetzung sowohl dieses neuen Vertrags als auch des Austrittsabkommens genau überwachen. Wir werden keinen Rückzieher der britischen Regierung bei den von ihr eingegangenen Verpflichtungen akzeptieren", erklärte er in Brüssel.

„Unannehmlichkeiten für die Bürger“ 

Sassoli räumte ein, dass der Brexit "naturgemäß größere Störungen und Unannehmlichkeiten für Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen" mit sich bringe. "Man kann nicht die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft haben, während man außen vor ist. Dieses Abkommen ist jedoch ein weitreichender Schritt, um die schlimmsten Folgen abzumildern." Der Pakt könne das Fundament bilden, "auf dem wir eine neue, zukunftsorientierte Beziehung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich aufbauen", erklärte er. "Trotz der Entscheidung des Vereinigten Königreichs, die Union zu verlassen, verbinden uns immer noch tiefe und langjährige Beziehungen, Werte, Geschichte sowie geografische Nähe."

(APA/dpa/AFP)

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