Interview

„Meine Rache? Kein Interview mehr geben!“

Salome mit dem Haupt von Johannes dem Täufer, von Andrea Solario, um 1500.
Salome mit dem Haupt von Johannes dem Täufer, von Andrea Solario, um 1500.Austrian Archives (AA) / Imagno
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Der Psychiater Reinhard Haller lobt, wie intelligent sich Anschober an Kurz gerächt hat – und gibt Ratschläge, wie auch wir mit unserem Wunsch nach Vergeltung am besten umgehen.

Die Presse: Sie empfehlen, über Rachegefühle zu reden. Bei welcher Gelegenheit haben denn Sie sich zuletzt gerächt?

Reinhard Haller: Indem ich einer Reporterin, die mich früher einmal gekränkt hat, kein Interview gebe.

Oh, dann werde ich aufpassen, was ich sage! Was fasziniert Sie an dem Thema?

Der Rachewunsch ist ein ganz besonderes Gefühl. Der Anteil des Rationalen ist hier größer und weniger eindeutig verteilt als bei anderen Gefühlen – viele „sinnen auf Rache“, oft über lange Zeit. Und es ist eigenartig ambivalent: Wir bezeichnen Rache als „süß“ und „bitter“, als gerecht und ungerecht, göttlich und teuflisch. Wir empfinden sie als triumphal und beschämend, befreiend und bedrückend. Sie ist ein Hauptthema in der Kunst, in Literatur, Drama, Oper. Rachegefühle begleiten uns seit der Kindheit. Aber die Wissenschaft hat sich damit kaum beschäftigt, weil das Phänomen so schwer fassbar ist. Das Gefühl wird in der Therapie sehr ungern zugegeben, es ist stark tabuisiert, mit Scham besetzt. Auch ich habe das Thema lang sträflich vernachlässigt.

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