Daten deuten darauf hin, dass Steuerförderungen global betrachtet keinen großen Schub bei den F&E-Anstrengungen in Unternehmen bringen.
Die steuerliche Förderung privater Forschung und Entwicklung (F&E) steht bei politischen Entscheidungsträgern hoch im Kurs. Während vor 25 Jahren noch kaum ein Land in der OECD F&E über spezielle Steuermaßnahmen förderte, verfügen heute 30 von 36 Ländern über derartige Anreize. Österreich gewährt seit Jahren steuerliche Anreize für private Forschungsanstrengungen, die im Laufe der Zeit kontinuierlich ausgeweitet wurden. Seit 2018 übernimmt der Staat 14 Prozent der F&E-Aufwendungen der Unternehmen im Land. Im internationalen Vergleich ist die Förderung attraktiv.
Ökonomische Theorie rechtfertigt staatliche F&E-Förderung traditionell über Marktversagen. Da private Firmen nicht berücksichtigen, dass Erkenntnisse und Wissen aus ihren Innovationsanstrengungen nicht nur ihnen selbst, sondern der Gesellschaft als Ganzes zugutekommen, investieren sie aus gesellschaftlicher Sicht zu wenig in F&E. Staatliche Subventionen können dieser Unterinvestition entgegenwirken (Arrow 1962).
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F&E-Förderung kann zudem helfen, wenn Unternehmen wünschenswerte F&E-Projekte nicht durchführen, weil ihnen die Finanzierung fehlt. Das Problem ist nicht selten (bspw. Hall et al. 2016): Externe Geldgeber können die Erfolgsaussichten von F&E-Projekten schwer beurteilen. Und Sicherheiten sind meist nicht verfügbar, da F&E-Output kaum als Kollateral dient. Das treibt die Zinskosten oder Finanzierung wird überhaupt nicht gewährt. Staatliche F&E-Förderung kann hier ermöglichen, dass sinnvolle Projekte dennoch realisiert werden.
Mit Blick auf den internationalen Wettbewerb wird von den Befürwortern staatlicher F&E-Anreize zudem herausgestellt, dass so die Attraktivität von Wirtschaftsstandorten gestärkt wird: international mobile F&E-Aktivitäten werden angezogen bzw. im Land gehalten. Auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit lokaler Firmen kann steigen.
Steuerliche F&E-Fördermaßnahmen wie Steuergutschriften bieten dabei eine Reihe von Vorteilen gegenüber der traditionellen projektbezogenen F&E-Förderung durch den Staat. Unter anderem sind sie mit weniger Verwaltungs- und Antragskosten verbunden und erlauben mehr Planungssicherheit für die Firmen.
Ihr Erfolg hängt aber entscheidend davon ab, ob und wie stark sie F&E-Aktivitäten im Privatsektor tatsächlich ausweiten. Kritiker weisen auf mögliche Mitnahmeeffekte hin: Die Maßnahmen könnten Unternehmenssteuerquoten senken, ohne substantiell mehr F&E zu induzieren. Laut empirischer Evidenz scheint diese Sorge aber unbegründet. Verschiedene Studien zeigen, dass sowohl F&E-Aufwendungen als auch Patent-Output und die Produktivität in Unternehmen signifikant ansteigen, wenn F&E-Steuerkosten fallen (siehe Bloom et al. 2019 für einen Literaturüberblick).
F&E-Aktivität aus Ausland verlagert?
Aus der bestehenden Literatur heraus ist allerdings unklar, ob der beobachtete F&E-Anstieg reflektiert, dass Firmen genuin mehr F&E betreiben, oder ob lediglich bestehende F&E-Aktivität aus dem Ausland verlagert wird. Verlagerungseffekte können quantitativ bedeutend sein, denn Innovation findet in entwickelten Ökonomien zu einem wesentlichen Teil in multinationalen Firmen statt (siehe bspw. National Science Board 2014 für die USA). Die Sinnhaftigkeit der Politikinstrumente wäre aus globaler Sicht fraglich, wenn Staaten lediglich in einem Nullsummenspiel um mobile F&E-Aktivität konkurrieren, statt global Innovationsverhalten im Unternehmenssektor zu befördern. Im schlechtesten Fall würden über den Wettbewerb nur Steuerquoten und Steuereinnahmen sinken.
In einem neuen Forschungspapier (Knoll et al. 2020) untersuchen wir daher die globale Wirkung von F&E-Steueranreizen. Die Analyse basiert auf Daten zum Innovationsverhalten multinationaler Firmen in Europa. Übereinstimmend mit früherer Evidenz finden wir, dass F&E-Steueranreize Innovationsanstrengungen im eigenen Land kräftig ausweiten. Gleichzeitig zeigen die Daten aber auch, dass F&E-Aktivitäten an anderen Standorten derselben multinationalen Gruppe signifikant sinken. Das heißt, es kommt zu Verlagerung von Innovationsaktivität innerhalb der multinationalen Firma. Global gesehen, werden F&E-Investitionen kaum ausgeweitet. Die Steuerförderung scheint daher primär ein Instrument des internationalen Steuerwettbewerbs zu sein und, zumindest im Kontext multinationaler Firmen, keinen großen Schub für die Gesamtheit der F&E-Anstrengungen zu bringen.
Um destruktiven Steuerwettbewerb zu unterbinden, könnten daher Schritte in Richtung einer internationalen Koordinierung der steuerlichen F&E-Förderung sinnvoll sein.
Die Autorin
Prof. Dr. Nadine Riedel ist Direktorin des Instituts für Wirtschaftspolitik und Regionalökonomik an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Sie ist Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Beiräten, unter anderem am Bundesministerium der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland.
Referenzen
Arrow, Kenneth (1962), Economic Welfare and the Allocation of Resources for Invention, in The rate and direction of inventive activity, Princeton, NJ: Princeton University Press, 1962, 609–625
Bloom, Nick, John Van Reenen, and Heidi Williams (2019), A Toolkit of Policies to Promote Innovation, Journal of Economic Perspectives, 2019, 33(3), 163–184
Knoll, Bodo, Nadine Riedel, Thomas Schwab, Maximilian Todtenhaupt, und Johannes Voget (2020), Cross-Border Effects of R&D Tax Incentives, mimeo
Hall, Bronwyn, Pietro Moncada-Paterno-Castello, Sandro Montresor, and Antonio Vezzani (2016), Financing constraints, R&D investments and innovative performances: new empirical evidence at the firm level for Europe, Economics of Innovation and New Technology 25(3), 183–196
National Science Board, Science and Engineering Indicators 2014, Arlington, VA: National Science Foundation