Aus dem Bauch des Biests

Sie veranschaulichen nicht nur die Tötungsmaschinerie Stalins, sondern auch die simplen Tagesabläufe in der Verbannung und im Ausgestoßensein: Nadeschda Mandelstams „Erinnerungen“. Vom Sprechen mit herausgerissener Zunge.

Hochbetagt, die grauen Haare zurückgekämmt, auf den Ellbogen aufgestützt. Durch das statische Wummern der Jahrzehnte kommt eine warme Stimme, die ein wunderbares Englisch spricht: So kann man sich Nadeschda Mandelstam anschauen – gerettet auf Youtube.

1973, als das Video in Moskau entstand, war sie seit 35 Jahren Witwe eines Dichters, den der stalinistische Staat verschluckt hatte. Im Dezember 1938, vielleicht im Frühjahr 1939 verendete Osip Mandelstam in einem Lager bei Wladiwostok, einem jenes Systems, das als Gulag in die Horrorgeschichte der Menschheit eingegangen ist. 1934 war Nadeschda ihrem Mann in die Verbannung gefolgt, in vier Jahre der ständigen Bedrängung und Armut. 1938, nach ein paar Monaten trügerischer Semi-Freiheit, wurde Osip Mandelstam ein zweites Mal „abgeholt“. „Komm mit im Wagen zum Bahnhof“, bat er sie; „Nicht erlaubt“, bellte einer der Beamten. – Sie sah ihren Mann nie wieder.

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