Auch Viagra zur Vorbeugung muss man selbst bezahlen

Auch Viagra Vorbeugung muss
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In einem aktuellen Fall durfte sich ein Patient Hoffnungen auf eine Kostendeckung durch die Kasse machen, obwohl kein psychisches Leiden vorlag. Das Höchstgericht blieb aber hart.

Wien. Die Rechtsprechung zu Potenzproblemen ist sehr strikt: Grundsätzlich müssen Viagra-Konsumenten ihre Kosten selbst tragen. Nur, wenn die Potenzstörung zu einem psychischen Leiden führt, können die Kosten auf die Krankenkasse abgewälzt werden. In einem aktuellen Fall durfte sich aber ein Patient Hoffnungen auf eine Kostendeckung durch die Kasse machen, obwohl kein psychisches Leiden vorlag. Zumindest die ersten beiden Instanzen waren der Meinung, dass dem Mann Viagra auf Kosten der Allgemeinheit zusteht.

Der Patient hatte sich wegen einer Krebserkrankung die Prostata entfernen lassen. Trotz einer speziellen OP-Variante wurden Nerven, die die Erektion steuerten, beeinträchtigt. Zumindest vorübergehend ging durch die Operation also die Erektionsfähigkeit verloren. Wenn die Nervenbahnen aber ausreichend zusammenwachsen, kann die Funktionsfähigkeit nach rund ein bis eineinhalb Jahren wieder eintreten. Für die Zwischenzeit nahm der Mann Viagra ein. Dieses diene aber nicht dazu, hier und jetzt Spaß zu haben, betonte der Mann mit Blick auf die strikte Rechtsprechung. Vielmehr nehme er Viagra zur Schutztherapie, damit sein Schwellkörper künftig wieder zu alten Stärken zurückkehrt. Dauernde Erektionsprobleme sollten durch Viagra vermieden werden, weil das Präparat helfe, das betroffene Gewebe zu erhalten.

Die Wiener Gebietskrankenkasse versteifte sich darauf, dass Viagra nicht bezahlt werde, der Mann klagte. Das Arbeits- und Sozialgericht entschied hingegen, dass die Kasse dem Mann Viagrakosten erstatten müsse. Es liege ein Sonderfall vor, weil das Medikament verhindern solle, dass aus der jetzigen Störung eine dauernde werde. Überdies seien die Erektionsprobleme des Mannes nicht durch eine Krankheit selbst entstanden, sondern als Folge einer Behandlung. Auch das Oberlandesgericht Wien war der Meinung, dass die Kasse zahlen muss. Der Oberste Gerichtshof (10 ObS 41/10t) aber drehte das Urteil um und blieb beim Thema Viagra hart: Die Klage des Mannes wurde abgewiesen. Das Argument, Viagra diene in diesem Fall der Prävention, beeindruckte die Höchstrichter nicht.

Keine Prävention ohne Krankheit

Denn Erektionsprobleme seien nun einmal keine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn, daher brauche die Kasse auch nicht für die Prävention zu zahlen. Auch dass die Krankheit nach einer Operation entstanden ist, spiele keine Rolle, meinten die Höchstrichter. Denn die Einnahme von Viagra stelle keine Maßnahme der Rehabilitationsmedizin dar. Überdies sei es nicht relevant, ob durch die Erektionsprobleme in Zukunft psychische Schäden auftreten könnten: Diese bloße Gefahr löse auch noch keine Leistungspflicht der Kasse aus.

Der betroffene Mann muss somit sein Viagra selbst bezahlen. Kaum trösten wird ihn, dass er nicht der erste Patient ist, der wegen der blauen Pille vor dem OGH scheitert. Und auch die Finanz ließ Viagra-Konsumenten schon abblitzen. So versuchte ein Diabetiker, die Kosten für die Tabletten von der Steuer abzusetzen – als „außergewöhnliche Belastung“. Schließlich werde Insulin von der Finanz bereits als abzugsfähig anerkannt. Das Finanzamt aber erblickte zwischen Insulin und Viagra einen Unterschied: Denn der Verzicht auf Insulin würde das Leben bedrohen, während Viagra nur das psychische Wohlbefinden des Patienten fördere.

AUF EINEN BLICK

Ein Mann erklärte, dass er Viagra nicht nehme, um direkt davon zu profitieren. Es gehe darum, das Gewebe zu erhalten. Denn nach einer Operation war die Erektionsfähigkeit verloren gegangen, Heilung war aber möglich. Der OGH lässt die Krankenkasse trotzdem nicht zahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.09.2010)

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