Opernkritik

Castorf an der Staatsoper: "Faust" als starker Theaterabend

Juan Diego Flórez und Nicole Car als Faust und Marguerite.
Juan Diego Flórez und Nicole Car als Faust und Marguerite. Staatsoper/Walter Pöhn
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Mit Gounods „Faust" feierte Regisseur Frank Castorf sein spätes Staatsoperndebüt: ein starker Theaterabend, bei dem das Schauspiel oft wichtiger und besser war als der Gesang.

Gerade unter diesen Mädeln, die aus der Liebe einen Beruf gemacht haben, gibt es gelegentlich reinere Wesen als unter den Töchtern unserer guten Familien“, lässt Arthur Schnitzler in seinem Drama „Das Wort“ den Schriftsteller Gleissner dozieren. „Ein Tiefsinn von mäßiger Neuheit“, ätzt daraufhin dessen Gegenspieler Rapp. Dieser dürfte ein Opernkenner gewesen sein: Als solcher ist er natürlich mit Traviata, Manon, Mimì und vielen anderen längst und bestens vertraut. Und nun ist unter den Kokotten, Grisetten und Mädis vom Chantant auch noch Goethes Gretchen zu finden – Pardon: die Marguerite aus Gounods „Faust“.

Ja, ausgerechnet der notorische Bilderstürmer Frank Castorf musste kommen, um 2016 in Stuttgart den „Faust“ aus dem angeblichen französischen Zugriff zu retten, indem er ihn paradoxerweise sozusagen ganz an Frankreich ausliefert. Generationen aufgeschlossener Musikfreunde haben im 20. Jahrhundert unermüdlich versucht, Gounods Werk in Schutz zu nehmen gegen ehrwürdig konservative bis forsch deutschtümelnde Kritik, der zufolge die Oper nur die Kolportage-Version der Goetheschen Tragödie wäre – als müsse man den ehrwürdigen Namen vor frivolen Koloraturen oder Walzerklängen bewahren. Und gerade als es schien, es wäre gelungen und auch die deutsche Kultur wüsste endlich zu schätzen, was Gounod unter seinem Melodienreichtum an musikalischer Tiefe verwirklicht hat, da tritt ausgerechnet Castorf von links auf und will Goethe und den echten oder vorgegebenen deutschen Tiefsinn wieder schön raushalten aus der Story.

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