Medizinischer Sauerstoff bleibt trotz anlaufender Hilfslieferungen ein knappes Gut. Auch bei den Impfungen gibt es Verzögerungen. Unterdessen wurden in Frankreich erstmals Covid-Infektionen mit der „indischen“ Virenmutante B.1.617 nachgewiesen.
In Indien ist ein weltweiter Höchstwert an neuen Corona-Infektionen binnen eines einzigen Tages erfasst worden. Innerhalb von 24 Stunden wurden mehr als 386.000 Infektionen registriert, wie aus Zahlen des Gesundheitsministeriums hervorgeht. Im selben Zeitraum starben weitere 3498 Menschen mit oder an dem Virus. In dem südasiatischen Land mit insgesamt mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern sind Krankenhäuser und Krematorien überfüllt. Medizinischer Sauerstoff ist knapp. Die Dunkelziffer der Infektionen dürfte außerdem deutlich höher liegen.
Zugleich berichteten mehrere indische Bundesstaaten, dass ihnen die Impfdosen ausgehen. Nach dem Plan der Regierung sollen sich von diesem Samstag an eigentlich alle Erwachsenen impfen lassen können. Dem Land, das auch als "Apotheke der Welt" bekannt ist und selbst massenhaft Corona-Impfstoff herstellt, fehlt es jedoch an Impfstoffen. In der Hauptstadt Neu-Delhi ist unklar, wann wirklich alle Menschen über 18 Jahren geimpft werden. In der Finanzmetropole Mumbai wurden am Freitag die Impfzentren für mindestens drei Tage geschlossen.
Bisher erhielten weniger als zehn Prozent der Inder mindestens eine Impfdosis. Etwa zwei Prozent sind vollständig geimpft. Die Gesamtzahl der Corona-Infektionen liegt inzwischen bei mehr als 18,7 Millionen. Zudem starben seit Beginn der Pandemie mehr als 200.000 Menschen in Verbindung mit dem Virus.
Sauerstoff und High-Flow-Nasenkanülen
In den ersten drei Monaten des Jahres hatte Indien noch Dutzende Millionen Dosen überwiegend an ärmere Länder exportiert. Der Gesundheitsminister verkündete damals, dass sich Indien im "Endspiel" der Corona-Pandemie befinde. Damals kehrte das Leben wieder mehr oder weniger zur Normalität zurück. Es gab große religiöse Feste und Wahlkampfveranstaltungen. Der neue Anstieg wird auch mit der Virusmutante B.1.617 in Verbindung gebracht.
Unicef schickte indes 3000 Sauerstoffkonzentratoren und andere wichtige Hilfsgüter nach Indien. "Die Covid-19-Pandemie überfordert das indische Gesundheitssystem", sagte Yasmin Haque, Leiterin von UNICEF-Indien.
Neben den Sauerstoffkonzentratoren hat Unicef bereits mehr als 500 High-Flow-Nasenkanülen sowie 85 RT-PCR-Testgeräte geliefert. Darüber hinaus unterstützt Unicef die Beschaffung und Installation von 25 Sauerstoffanlagen für Krankenhäuser im Nordosten des Landes und in Maharashtra sowie die Installation von mehr als 70 Thermoscannern an verschiedenen Einreisehäfen im ganzen Land. Unicef-Experten sind in den am stärksten betroffenen Staaten wie Maharashtra im Einsatz, um die staatlichen und lokalen Behörden zu unterstützen.
Ärzte ohne Grenzen im Einsatz
Während der massiven zweiten Covid-19-Welle in Indien hat auch die medizinische Nothilfeorganisation „Ärzte ohne Grenzen/Médecins Sans Frontières" (MSF) ihre Hilfe vor Ort ausgebaut. „Wir unterstützen die lokalen Gesundheitsbehörden im Jumbo-Krankenhaus, dem größten COVID-19-Behandlungszentren in Mumbai“, erklärt Laura Leyser, Geschäftsführerin von MSF Österreich. Die Einrichtung verfügt über 2000 Betten. Ein Team von „Ärzte ohne Grenzen" bestehend aus 50 Personen – Labortechnikerinnen, Anästhesisten, Ärztinnen, Krankenschwestern und Psychologinnen – arbeite daran, die Kapazitäten für die Behandlung von mäßig schwer erkrankten und kritischen Covid-19-Patienten zu verbessern. „Ärzte ohne Grenzen" ist dabei für die Beobachtung der Patienten und die Triage auf sechs Stationen mit je 28 Sauerstoffbetten verantwortlich.
Die Hilfe wird nun weiter weiterausgebaut und „Ärzte ohne Grenzen" organisiert vier Stationen mit je 28 Sauerstoffbetten. Außerdem erhält das Jumbo-Spital zehn High-Flow-Nasenkanülen-Maschinen, die die Sauerstofftherapie unterstützen werden.
Ausbreitung der Mutante
Frankreich hat unterdessen erste Fälle der indischen Coronavirus-Variante B.1.617 registriert. Es handelt sich um drei infizierte Personen, die zuvor nach Indien gereist waren, gab das französische Gesundheitsministerium bekannt.
In Österreich gelten seit Donnerstag Einreisebeschränkungen für Indien: Für Direktflüge besteht ein Landeverbot, nach Österreich einreisen darf - mit Quarantänepflicht - nur, wer einen Wohnsitz im Lande hat. Laut Mitteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vom Mittwoch wurde die zuerst in Indien entdeckte Coronavirus-Variante mittlerweile bereits in mindestens 17 Ländern nachgewiesen.
(APA/Reuters)