Femizide

Österreich hat bei Männerbild "weiten Weg" vor sich

Mann, Frau mit Kinderwagen an einem Fluss in einer Stadt Frau mit Kinderwagen vor einer Treppe an einem Fluss in einer S
Mann, Frau mit Kinderwagen an einem Fluss in einer Stadt Frau mit Kinderwagen vor einer Treppe an einem Fluss in einer S(c) imago images/Bernd Elmenthaler (Bernd Elmenthaler via www.imago-images.de)
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Das Männerbild muss sich ändern, Männer müssten gerade in der Familienarbeit viel mehr eingebunden werden, sagt ein Experte. Schweden könnte ein Vorbild sein.

Nach dem neunten Frauenmord in diesem Jahr steht das Thema Gewalt gegen Frauen wieder einmal zur Diskussion. Am Montagnachmittag wird ein Gewaltschutzgipfel im Innenministerium stattfinden, zudem will sich Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein auf die Männer fokussieren.

Das entscheidende Moment bei Männergewalt sei ein bestimmtes Bild von Männlichkeit, das in der Gesellschaft als dominant und konkurrenzorientiert vorherrscht, sagte Erich Lehner vom Dachverband Männerarbeit Österreich (DMÖ) im ORF-Morgenjournal. "So lange wir dieses Bild haben, haben wir immer eine Gruppe von Männern, die gewalttätig sein kann", Schweden könne in gesellschaftspolitischer Hinsicht diesbezüglich ein Vorbild sein.

"Sorgende Männlichkeit"

Der Experte konstatierte ein Nord-Süd-Gefälle in Europa, mit den Vorbildern im Norden, etwa auch Island, das die Babykarenz in fünf Monate für Väter, fünf Monate für Mütter und zwei weitere Monate frei verfügbar aufteile. Schweden wiederum habe mit Beginn der feministischen Bewegung in den sechziger Jahren begonnen, auch die Männer "ins Boot zu holen", vor allem was Familienarbeit und andere unbezahlte Arbeit etwa in der Altenpflege - Stichwort "sorgende Männlichkeit" - betreffe, aber auch im Bereich der bezahlten Berufe, die unter sorgende Tätigkeiten fallen, erläuterte Lehner.

Im Vergleich zu Schweden habe Österreich hier einen "noch sehr weiten Weg vor uns, aber es ist sehr, sehr notwendig, dass wir diesen Weg gehen", betonte der Psychoanalytiker. Männer in sorgenden Tätigkeiten würden das Männlichkeitsbild verändern, und das reduziere Gewalttätigkeit.

Die Initiativen der Bundesregierung, Maßnahmen im Bereich des Opferschutzes, der Täterarbeit, der Zusammenarbeit mit den Behörden und der Gewaltprävention zu verstärken, wurden in einer Aussendung des DMÖ begrüßt, ebenso das Vorhaben, die Mordfälle der vergangenen Jahre zu analysieren und daraus Präventionsmöglichkeiten abzuleiten. Weiters betonte der Dachverband seine Unterstützung für die Anliegen der Opferschutzorganisationen.

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Was Täterarbeit beinhaltet

Bei Opferschutzarbeit und Täterarbeit gehe es nicht um "entweder - oder", sondern um "sowohl - als auch": Täterarbeit leiste einen Beitrag zum Opferschutz, indem Gewaltverhalten abgebaut werde, in Anti-Gewalt-Trainings und gegebenenfalls zusätzlich mit Psychotherapie, Suchtbehandlung, psychiatrischer Behandlung oder einem anderen Hilfeangebot. Seine Aufgaben sieht der DMÖ in Arbeit mit gewalttätigen Männern ("Täterarbeit"), deeskalierender Beratung etwa in Trennungssituationen, Gewaltprävention mit Buben und Burschen sowie einer Kampagne für Männlichkeitsbilder, die nicht mehr an Härte, Dominanz und patriarchalen Vorstellungen orientiert sind, sondern an Partnerschaftlichkeit, Beziehungsorientierung und Sorgearbeit ("Caring Masculinities").

Wenn bereits Einrichtungen und Behörden involviert sind, brauche es eine vernetzte Vorgangsweise mit Austausch von Informationen zwischen Opferschutzeinrichtungen, Täterarbeit und Behörden. Auch die Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen gehörten hierzu, so der DMÖ. Diesen waren 2018 unter Protest der Opferschutzeinrichtungen abgeschafft, im Jänner 2020 aber wieder ins Gewaltschutzgesetz aufgenommen worden. In einer "einzigartigen Vernetzung mit der Polizei und den Gewaltschutzorganisationen gab es monatliche Treffen, wo man genau diese Fälle eingeschätzt hat und auch bewertet hat", um schon im Vorfeld Maßnahmen zu setzen, sagte Klaudia Frieben vom Österreichischen Frauenring im Morgenjournal. Nach ihren Angaben finden diese Konferenzen derzeit aber nicht statt.

(APA/red.)

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