Opferschutzeinrichtungen kritisierten nach dem Sicherheitsgipfel der Regierung die fehlende Erhöhung der Mittel für Gewaltschutz. Frauenministerin Raab entschuldigt sich für einen „Versprecher“.
Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat auf die Kritik, dass es für den Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt mehr Geld brauche, mit einer klaren Zusage für mehr Mittel reagiert. "Am Geld wird es nicht scheitern", sagte er am Rande einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien. Wenn es mehr Mittel brauche, werde die Regierung diese einsetzen. "Die finanziellen Fragen werden sich lösen lassen", so Kurz.
Opferschutzeinrichtungen hatten nach dem Sicherheitsgipfel der Regierung am Montag, der als Antwort auf eine Frauenmordserie mit neun Toten seit Jahresanfang im Innenministerium stattgefunden hat, die von ihnen zuvor vehement geforderte Erhöhung der Mittel für Gewaltschutz vermisst. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) versicherte am Dienstag ebenfalls, dass man das Thema ernst nehme. Die Organisationen, die gestern noch nicht dabei waren, werden eingebunden und die finanzielle Ausstattung werde Thema sein, so Kogler. Auch Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) sagte, an der Ressourcenfrage werde weiter gemeinsam gearbeitet. Sie verwies erneut auf die bereits erfolgte Erhöhung des Frauenbudgets um fast 50 Prozent.
Das Frauenbudget, über das auch Gewaltschutzprojekte und Frauenberatungsstellen finanziert werden, beträgt aktuell rund 14,6 Millionen Euro. 2018 und 2019 habe es bei der Finanzierung einen "Backlash" und Kürzungen für viele Einrichtungen gegeben, darauf hatten am Montag Vertreterinnen der Frauenschutzorganisationen hingewiesen. Die seither erfolgten Anhebungen müsse man vom Niveau der zuvorigen Kürzungen rechnen.
In den Opferschutz investieren
Insgesamt 228 Millionen Euro pro Jahr und 3000 zusätzliche Arbeitsstellen im Opferschutz fordern nunmehr die Vertreterinnen von Österreichischer Frauenring (ÖFR), Verein Österreichische Autonome Frauenhäuser (AÖF) und Wiener Interventionsstelle. Sparen könne man sich die angekündigte Motiv- und Herkunftsforschung bei Tätern, sagte ÖFR-Vorsitzende Klaudia Frieben: "Aus meiner Sicht ist das eine Machtfrage und es kommt in jeder Kultur vor, egal ob es jetzt Österreicher sind oder Ausländer sind." Die Machtfrage sei "überall die gleiche". AÖF-Geschäftsführerin Maria Rösslhumer lobte, dass die Regierung Punkte wie den geforderten Ausbau der Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen aufgegriffen habe, aber es handle sich um ein Maßnahmenpaket ohne Budget. Weiters forderte sie "einen verbesserten Schutz für die Kinder" und Personenschutz für Frauen in Hochrisikosituationen.
Auch Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie vermisste bisher einen Ausbau des Opferschutzes, für den es Geld und Personal brauche. Opfer, die sich aus Misshandlungsbeziehungen trennen, seien in sehr großer Gefahr, Gewalt zu erleiden. "Fast alle Morde und Mordversuche passieren in dieser Zeit. Man muss da einfach länger dran bleiben, die Trennung dauert oft Monate und in dieser Zeit müssen wir die Opfer begleiten können."
SPÖ: „Hilferuf ernst nehmen"
"Bitte nehmen Sie den Hilferuf aus den Gewaltschutzeinrichtungen ernst", appellierte SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek in einer Aussendung. Diese seien "am Limit. Lange Wartezeiten auf Beratung und Hilfe sind gefährlich". Laut Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr 11.652 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen. Die Zahl der weggewiesenen Gefährder stieg laut Heinisch-Hosek von 8254 im Jahr 2019 auf 9689 im Jahr 2020, und die soziale Krise durch Corona werde die Situation weiter verschärfen.
Informationsmangel, wirtschaftliche Abhängigkeit
Die Wiener Opferanwältin Barbara Steiner sprach im Ö1-Mittagsjournal einen Informationsmangel an, was das Institut der Prozessbegleitung betreffe. Behörden würden zu wenig über dieses kostenfreie Angebot der psychosozialen und juristischen Betreuung von Opfern in Verfahren aufklären. Es gehe auch darum, Hilfe bei Wohnungssuche und in finanziellen Fragen zu erhalten. Sie schätzte, dass nur etwa ein Zehntel der Betroffenen derzeit betreut werde.
Neos-Justizsprecher Johannes Margreiter betonte: "Im Justizbereich ist vor allem dafür Sorge zu tragen, dass durch eine tiefgreifende Reform des Unterhaltsrechtes die wirtschaftliche Abhängigkeit von Frauen drastisch reduziert wird, die vielfach der Entscheidung der Frauen entgegensteht, sich von allem Anfang an gegen gewalttätige Übergriffe konsequent zur Wehr zu setzen." Die Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö) fordert Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen: Es gelte problematische Geschlechterrollenbilder aufzubrechen, aber auch die notwendigen finanziellen und infrastrukturellen Ressourcen bereitzustellen - "in der Betreuung von Opfern, in der Frauen- und Männerberatung, in der Ausbildung und Ausstattung von Polizei und Justiz, in der Kooperation mit der Zivilgesellschaft wie etwa Gewaltschutzorganisationen und auch bereits in Einrichtungen der Bildung und Erziehung von Kindern".
(APA)