Amanshausers Album

Paro-Vienna

Das Tigernest Kloster Taktshang
Das Tigernest Kloster TaktshangUnsplah (AdliWahid)
  • Drucken

Kann durchaus ernüchternd sein, aus dem sagenhaften Königreich Bhutan kommend im kühlen Österreich zu landen.

Die Maschine näherte sich dem Flughafen VIE. Obwohl der Wirtschaftsstudentin Nima aus Thimpu, Bhutan, ihr Gurt in den Bauch schnitt, lockerte sie ihn nicht. Schon wieder berührte der Oberarm des Nachbarn ihren Oberarm. Die Chillips, diese Westmenschen, wussten nie, wo sich ihre Gliedmaßen befanden. Sie waren nur unzureichend mit ihnen verbunden. Nima hatte gelesen, dass Chillips bei der Landung zu klatschen pflegten, doch es blieb ruhig. Sie wagte keinen Solo­ap-plaus. „Ladies and Gentlemen, welcome to Vienna“, sagte der Purser durch, „the outside temperature is minus one degree Celsius.“ Ihr heimatlicher Flughafen befand sich in einem Nebental der Hauptstadt Thimphu. Das Tal von Thimphu war für Landungen zu schmal. Paro Airport war auf Flugsimulatoren berühmt, wie Nima seit ihrer Schulzeit wusste, damit angehende Chillip-Piloten ihre Geschicklichkeit anhand Bhutans kompliziertem Landeanflug prüfen konnten.

Der Airport, den Nima jetzt betrat, war unwirtlich. Während im Flughafengebäude von Paro ausgetüftelte Elemente für Eleganz sorgten – das Bildnis von König Jigme Khesar Namgyel Wangchuck mit Familie, traditionelle Holzvertäfelungen, ein Modell des Punakha Dzong –, schien sich die Wiener Architektur an Low-Budget-Filmen zu orientieren. Mit Hunderten Gleichgesinnten spazierte sie, Rollkoffer ziehend, durch ein trost­loses, von Menschen offensichtlich halb aufgegebenes Gebäude. Schwer vorstellbar, dass der Betreiber Profit machte. Sicher lauerten bereits neue Investoren. Wettbewerb hielt die Welt des Kapitalismus zusammen. Da konnte das Königshaus Bhutans, fürchtete Nima, noch so hartnäckig seinen Sonderweg des ­Bruttonationalglücks beschwören.

Die Einreisemodalitäten verwirrten sie. Ein Mechanismus scannte ihren Pass, doch der Schranken öffnete sich nicht. Jemand deutete auf eine andere Schlange. Sie sollte sich offenbar mit Chillips dunklerer Hautfarbe aus armen Ländern anstellen. Eine Uniformierte mit groben Gesichtszügen drückte schließlich den Stempel neben ihr Studentenvisum. Sie war angekommen, unterstützt von ihrem Königreich, versehen mit Bankkarte und etwas Bargeld.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.