76 Jahre Mauthausen-Befreiung

Gedenktag: "Existenzielle Betroffenheit darf nicht verloren gehen"

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka beim gemeinsamen Gedenken mit Mitgliedern des CV und MKV
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka beim gemeinsamen Gedenken mit Mitgliedern des CV und MKV(c) APA/ Oesterreichischer Cartellverband (Johannes Zinner)
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National- und Bundesrat haben mit einer gemeinsamen Sondersitzung den Jahrestag der Befreiung des KZ Mauthausen begangen.

Zum 76. Jahrestag der Befreiung des KZ Mauthausen haben die Präsidialkonferenzen von National- und Bundesrat am Mittwoch mit einer gemeinsamen Sondersitzung den Gedenktag gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus begangen. So wie im Vorjahr konnte der Gedenktag wegen Corona nur in kleinem Rahmen abgehalten werden. Im Mittelpunkt standen die Projekte "Gegen das Vergessen" des Fotografen Luigi Toscano und das jüdische Dialogprojekt "Likrat".

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) rief in seiner Rede die Menschen dazu auf, dem Antisemitismus im Alltag entgegenzutreten. "Wir haben ein strenges Verbotsgesetz, eine klare Haltung der Politik und eine internationale Allianz gegen Antisemitismus. Was fehlt, ist das angesprochene gesamtgesellschaftliche Engagement gegen Antisemitismus und Antiziganismus, das auch dort, wo nichts strafrechtlich Relevantes zu finden ist, sich artikuliert und Menschen motiviert, sich offensiv gegen antisemitische Haltungen zu stellen. Denn es sind Auschwitz und Mauthausen nicht über Nacht gekommen, sie sind die Folge der Verkettung, der vielen kleineren und größeren Ausgangspunkte, sie sind die Folge von Gewöhnung. Und so sind Auschwitz und Mauthausen auch keineswegs ein Verbrechen der Wenigen, sie waren nur möglich durch das Zusammenwirken der Vielen. Möglich, durch das was getan wurde und das, was unterlassen wurde", sagte Sobotka.

Der Nationalratspräsident verwies darauf, dass die Zahl der noch lebenden Zeitzeugen immer kleiner werde und sagte: "Wir dürfen und wir werden die Jahre des Nationalsozialismus und seine Verbrechen nicht der Historisierung anheim fallen lassen. Die existenzielle Betroffenheit gegenüber dieser historischen Singularität darf nicht verloren gehen." Gerade wenn immer weniger Zeitzeugen berührende Einblicke in ihr so schmerzlich Erlebtes geben, müsse es gelingen, diese Erfahrungen durch die Einbeziehung historisch authentischer Orte, persönlicher Bezugs- und Berührungspunkte oder künstlerischer Interventionen weiterzugeben und lebendig zu erhalten."Was damals geschah, muss heute, wie auch in Zukunft im Bewusstsein der Menschen und insbesondere der politisch Handelnden präsent sein und präsent bleiben. Und wie wir heute aus dem Gedenken unsere Schlüsse und Lehren für die Gegenwart ziehen, werden zukünftige Generationen den erinnernden Gedenken, einen besonderen Stellenwert beimessen", sagte Sobotka.

"Gegen das Vergessen" ist eine Freiluftinstallation mit überlebensgroßen Porträtfotos von Überlebenden der NS-Verfolgung. Der Fotograf Luigi Toscano hat dafür über 400 Zeitzeugen getroffen und fotografiert. Die Ausstellung mit den Gesichtern und Geschichten dieser Menschen war bereits in mehreren Städten Europas, u.a. auch an der Wiener Ringstraße, und den USA zu sehen, darunter im UNO-Hauptquartier in New York. Zum Internationalen Holocaustgedenktag 2020 war sie zu Gast bei der UNO in Genf, ein Jahr später bei der UNESCO in Paris. Anfang dieses Jahres wurde Luigi Toscano für sein Engagement als erster Fotograf zum UNESCO Artist for Peace berufen.

Dialogprojekt soll Abbau von Vorurteilen dienen

"Likrat" ist ein europaweites Dialogprojekt zwischen jüdischen und nicht jüdischen Jugendlichen mit dem Ziel, Antisemitismus nachhaltig zu bekämpfen. Der Titel des Projekts ist hebräisch und bedeutet aufeinander zugehen. In diesem Sinne besuchen jüdische Jugendliche seit 2015 in Wien und mittlerweile auch in mehreren anderen Bundesländern Schulklassen oder Jugendzentren. Sie haben eine spezifische Ausbildung und ihr Ziel ist es, dem Judentum ein Gesicht zu verleihen und auch einen Raum zu schaffen, in dem unbefangen Fragen gestellt werden können. "Likrat" will damit dem Abbau von Vorurteilen dienen, Antisemitismus reduzieren, den Dialog stärken und so ein besseres Miteinander der Gesellschaft fördern. Dieses Projekt der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wurde 2021 mit dem Leon-Zelman-Preis für Dialog und Verständigung ausgezeichnet.

Im Vorfeld der Veranstaltung haben bereits SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner und Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch die Notwendigkeit betont, "jeder Form von Hass, Ausgrenzung und Gewalt entschieden entgegenzutreten". Die Befreiung des KZ Mauthausen vor 76 Jahren ist uns "antifaschistischer Auftrag, rassistische und antisemitische Vorfälle niemals zu ignorieren, sondern klar als solche zu benennen und mit allen Mitteln zu bekämpfen", so Deutsch in einer Aussendung. "Es ist unsere Aufgabe als Gesellschaft, die Lehren aus den dunklen Kapiteln unserer Geschichte zu ziehen", sagte Rendi-Wagner: "Erinnern, gedenken, niemals vergessen – das ist unser Auftrag. Menschlichkeit ist unsere Pflicht." Angesichts des jüngsten Antisemitismusberichts der Israelitischen Kultusgemeinde, der einen Höchstwert antisemitischer Vorfälle ausweist, fordert die SPÖ die rasche Umsetzung des Aktionsplans gegen Rechtsextremismus ein. Eine "breite Allianz gegen Etablierung rechter Strukturen" forderte die Sprecherin für Gedenkpolitik der Grünen, Eva Blimlinger. "Wir müssen immer und überall aufmerksam und wachsam sein, um aktiv gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit aufzutreten", betonte die Historikerin in einer Aussendung.

(APA)

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