Spurwechsel

Der Verdrängungskampf in der E-Mobilität hat begonnen

Der VW-Konzern hofft mit dem ID3 den Elektroauto-Markt aufmischen zu können.
Der VW-Konzern hofft mit dem ID3 den Elektroauto-Markt aufmischen zu können.Die Presse/Clemens Fabry
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Die geplanten Verschärfungen der Klimaziele mischt die Autobranche auf. Volkswagen kann dabei seinen Größenvorteil ausspielen und setzt dabei kleinere Rivalen wie Renault unter Druck.

Im Kampf um Marktanteile in der Elektromobilität wirft Volkswagen den Rivalen den Fehdehandschuh hin. Bisher hatte Konzernchef Herbert Diess damit zu tun, den als schwerfällig geltenden Wolfsburger Autoriesen für das Zeitalter batteriebetriebener und selbstfahrender Fahrzeuge fit zu machen. Da sich nun die ersten Erfolge einstellen, schaltet der weltweit zweitgrößte Autobauer einen Gang höher und spielt seine Größenvorteile aus.

Kleinere Hersteller wie Renault, die in der Sanierung stecken und länger darauf angewiesen sind, den Übergang zu klimaschonenden E-Autos aus dem Verkauf von Verbrennungsmotoren zu finanzieren, drohen an den Rand gedrängt zu werden.

Streit um Emissionsstandards

Der Konflikt um die unterschiedlichen Geschwindigkeiten in der Transformation schlägt auch im europäischen Branchenverband ACEA Wellen. Hier sind alle großen europäischen Autobauer vertreten. Bei einer Vorstandssitzung im März trat der Streit Insidern zufolge offen zutage: Die Chefs mehrerer Konzerne äußerten sich besorgt über die Verschärfung der Emissionsstandards in der EU bis 2030, wie zwei mit den Gesprächen vertraute Personen der Nachrichtenagentur berichten. Die Hersteller fürchteten, dass ein Einbruch der Gewinne aus der Verbrennertechnologie nicht durch den Verkauf von Elektroautos wettgemacht werden könne.

Doch VW-Chef Diess präsentierte sich den Insidern zufolge in der Runde wesentlich entspannter und zeigte sich optimistisch, dass sein Konzern bereits zur Mitte des Jahrzehnts in der Lage sein werde, batteriegetriebene Fahrzeuge zu gleichen Kosten herzustellen wie Benziner. Darauf hätten einige der anderen Autobosse, unter anderem Renault-Chef Luca de Meo, erstaunt reagiert, berichtet eine der Personen, die nicht namentlich genannt werden wollten.

Renault und Volkswagen wollten sich ebenso wenig zu Details der Sitzung äußern wie der Verband. "Was wir jedoch berichten können ist, dass während dieses Treffens alle CEOs zugestimmt haben, dass sie offen für höhere CO2-Reduktionsziele für Autos im Jahr 2030 sind", erklärte ACEA. Voraussetzung sei, dass es verbindliche Zusagen der Mitgliedsstaaten gebe, das erforderliche Netz an Ladestationen für E-Autos und Wasserstoffstationen aufzubauen.

EU gibt dem Vekehrssektor neue Vorgaben

Die Debatte dreht sich aktuell um den Beschluss der EU, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 senken. Bisher war eine Kappung um mindestens 40 Prozent vorgesehen. Die EU-Kommission wird im Sommer das neue, allgemeine Klimaziel für verschiedene Bereiche übersetzen und auch dem Verkehrssektor neue Vorgaben machen. Die Autobranche warnt davor, die Hersteller zu überfordern. Schwächere Unternehmen könnten in Bedrängnis geraten.

Doch Volkswagen treibt den Wandel zur Elektromobilität offensiver voran als so mancher seiner Rivalen - und erhöht so den Druck. Nach dem selbst verschuldeten Dieselskandal vor fast sechs Jahren hat sich der europäische Marktführer neu ausgerichtet, auch um das beschädigte Image aufzupolieren. So lässt der Konzern hinter vorgehaltener Hand die politischen Entscheidungsträger in Brüssel wissen, dass er ehrgeizigere Emissionsgrenzen unterstützen würde, berichteten drei mit den Vorgängen vertraute Personen. "Es ist zu einem Überlebenskampf geworden", sagt eine mit der Strategie von Volkswagen vertraute Person. "Man kann nicht darauf warten, dass andere irgendwann aufholen."

VW pocht auf nötige Lade-Infrastruktur

Die Wolfsburger machen deutlich, sie hätten bereits in der Vergangenheit signalisiert, ambitioniertere CO2-Einsparziele für den Verkehrssektor mitzutragen. "Entscheidend ist hierbei aber auch, dass die Lade-Infrastruktur ausgebaut und der Energiesektor auf erneuerbare Energien umgestellt wird," erklärt ein Sprecher. Das Unternehmen erwarte, dass die EU-Kommission eine Reduktion der CO2-Flottenziele bei Pkw um 50 Prozent bis 2030 vorschlagen werde im Vergleich zu 2021. Darauf habe sich das Unternehmen eingestellt. "Es ist völlig klar, dass Volkswagen die Konkurrenz mit seiner E-Offensive unter Druck setzt", sagt Analyst Arndt Ellinghorst von Bernstein Research.

VW-Chef Diess heizt die Diskussion auf Twitter und LinkedIn an. So setzt er sich etwa für eine schrittweise Erhöhung des CO2-Preises auf 100 Euro pro Tonne bis spätestens 2026 ein. "Energieerzeugung mit Kohle wäre dann unwirtschaftlich, Sonne und Wind würden siegen." Der Volkswagen-Chef gehört als einziger Autoboss zu den Gründungsmitgliedern einer Allianz von zehn Top-Managern aus verschiedenen Branchen, die sich für weitgehende Schritte im Kampf gegen die Erderwärmung einsetzen. Ihr Ziel ist, die EU zur weltweit führenden Region im Klimaschutz zu machen.

Massenhersteller haben höheren Kostendruck

Premiumhersteller wie Daimler und BMW können nach Meinung von Experten mit strengeren CO2-Auflagen eher zurechtkommen, weil ihre Kundschaft bereit ist, für Luxus-Elektroautos und aufwändige Abgastechnik zu bezahlen. Massenhersteller hingegen müssen ihre Autos für ein breites Publikum erschwinglich machen. Den Schlüssel dazu hat VW mit dem Elektrobaukasten MEB gefunden. Dieses Bauprinzip ermöglicht aufgrund einer gemeinsamen Architektur den Einsatz von gleichen Teilen bei verschiedenen Fahrzeugklassen. Dadurch können Elektroautos bei hohen Stückzahlen günstig produziert werden. Volkswagen hat inzwischen Elektro-Modelle für verschiedene seiner Marken im Programm. Diess weiß um diesen Vorteil: "Vor fünf Jahren haben wir uns dafür entschieden, eine Plattform für elektrische Autos zu bauen. Viele in der Branche haben damals unseren Ansatz infrage gestellt. Heute folgen sie unserem Beispiel, während wir die Früchte ernten."

Renault-Chef de Meo, früher im VW-Konzern Chef der Marke Seat, nahm sich daran ein Beispiel und setzt nun auf elektrische Plattformen namens CMF B-EV und CMF A, um ebenfalls kleinere, erschwingliche E-Autos zu bauen. "Das ist unsere Waffe, um VW entgegenzutreten", schrieb er im vergangenen Jahr in einem Memo.

Dabei muss sich Renault allerdings sputen. Denn Volkswagen gewinnt dank seiner Strategie bereits Marktanteile: Nach Zahlen der Datenbank EV-Volumes.com stieg der Anteil der Wolfsburger bei E-Autos in Europa im vergangenen Jahr auf ein Viertel von 14 Prozent im Jahr 2019. Die Allianz von Renault mit den japanischen Autobauern Nissan und Mitsubishi fiel dagegen von 23 auf 19 Prozent zurück und ihr Anteil sank Anfang 2021 weiter. Die Franzosen lagen in den ersten drei Monaten zusammen mit Tesla auf dem dritten Rang hinter Volkswagen und dem aus der Fusion von Fiat Chrysler mit der französischen Opel-Mutter PSA entstandenen Stellantis-Konzern.

(APA/Reuters)

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