Nahost

Israels Präsident beauftragt Oppositionschef Lapid mit Regierungsbildung

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FILES-ISRAEL-POLITICSAPA/AFP
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Interimspremier Netanjahu scheiterte bei der Bildung einer neuen Koalition. Präsident Rivlin erteilte also dessen Konkurrenten Jair Lipid das Mandat zur Regierungsbildung. Doch die politischen Verhältnisse sind extrem zersplittert.

Rund sechs Wochen nach der Parlamentswahl vom 23. März war Israel am Mittwoch weiterhin ohne neue Regierung. Nachdem der geschäftsführend amtierende Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstag erneut mit der Regierungsbildung gescheitert war, begann Staatspräsident Reuven Rivlin am Mittwoch mit anderen Spitzenpolitikern Gespräche über ein neues Kabinett. So waren Unterredungen mit Naftali Bennett (Yamina-Partei) und Oppositionsführer Jair Lapid von der Zukunftspartei angesetzt.

Letzterer bekam vom Präsidenten auch den Auftrag, eine neue Regierung zu bilden. Lapids Zukunftspartei gehört zur politischen Mitte, sie wurde Ende März bei der vierten Parlamentswahl binnen zwei Jahren zweitstärkste Kraft. Damit steht das Lager der Gegner Netanjahus vor einer Chance, die Ära des 71-Jährigen als Regierungschef zu beenden. Ob ihnen dies gelingt, ist noch völlig offen. Rivlin (81) lud auch Vertreter der anderen im Parlament vertretenen Parteien dazu ein, Vorschläge zu machen.

Bei der Wahl war Netanjahus Likud-Partei mit rund 24 Prozent der Stimmen zwar auf Platz eins gekommen. Und er konnte auf die Stimmen der verbündeten Religiös-Zionistischen Partei zählen (rund fünf Prozent). Netanjahu (71), der seit 2009 ununterbrochen und zuvor von 1996 bis 1999 regiert hatte, gelang es aber darüber hinaus nicht, eine mehrheitsfähige Koalition schmieden.

Die Chance des Jair Lapid

13 Parteien und formal als einzelne Partei auftretende Allianzen konnten bei der Wahl in das Parlament, die Knesset, einziehen. Das liegt an der vergleichsweise niedrigen Sperrklausel von 3,25 Prozent (Österreich: 4 Prozent). Der größte Oppositionsverbund aus Yamina und Zukunftspartei (Jesch Atid) kam auf rund 20 Prozent, wovon Letztere mit Rang zwei nach der Wahl fast 14 Prozentpunkte stellt. Es wurde am Mittwoch erwartet, dass Präsident Rivlin ihren Chef, Jair Lapid (57), mit der Regierungsbildung beauftragen könnte.

Lapids 2012 gegründete Partei gehört zur politischen Mitte, Lapid war als Schriftsteller, TV-Journalist und Schauspieler tätig, seine Eltern hatten ungarisch-serbische und rumänische Wurzeln. 2013/14 war er Finanzminister.

Das bisherige Scheitern des rechtskonservativen Netanjahu erweckt im Lager der Gegner die Hoffnung auf ein Ende seiner langen Amtszeit; es ist die bisher längste eines israelischen Regierungschefs seit der Staatsgründung 1948. Gegen Netanjahu läuft ein Korruptionsprozess. Er weist die darin erhobenen Vorwürfe zurück.

Ball demnächst beim Parlament?

Neben einem bestimmten Politiker könnte der Präsident das Mandat zur Regierungsbildung auch der Knesset generell erteilen. Wenn das passiert, kann jeder der 120 Abgeordneten versuchen, binnen 21 Tagen die Unterstützung von 60 weiteren Parlamentariern zu finden und somit auf 61 Sitze zu kommen. Auch eine Neuwahl ist nach bisherigem Stand möglich. In Israel haben innerhalb von zwei Jahren vier Wahlen keine klaren Mehrheiten erbracht. Eine weitere erzwungene Neuwahl würde die Verwerfungen im Land noch verstärken und wohl ähnlich enden.

(APA/wg)

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