Femizide

Heftige Kritik an Gewaltschutz nach Frauenmorden in Salzburg

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20210503 Campaign and petition launch of the SPOe Women - start for more protection against violence VIENNA, AUSTRIA - Mimago images/SEPA.Media
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Die Regierung verweist auf einen runden Tisch mit Opferschutzeinrichtungen. Diese fordern, ebenso wie die Opposition, raschere Hilfe. Die FPÖ ist für eine Aufstockung des Budgets, das sie eins selbst gekürzt hat.

Heftige Reaktionen und Kritik an der derzeit in Österreich herrschenden Gewaltprävention hat es am Donnerstag nach einem weiteren Tötungsdelikt in Salzburg gegeben. Ein Mann soll seine Ex-Frau und deren Mutter getötet haben. Sie sind das zehnte bzw. elfte Opfer, das in diesem Jahr von einem (Ex-)Partner getötet wurde. Während die Regierung in ersten Reaktionen auf den geplanten Runden Tisch zu diesem Thema verwies, ist das Opposition und Hilfsorganisationen zu wenig.

"Die Bundesregierung hat hier Maßnahmen zur Verhinderung solcher Verbrechen ergriffen und wir werden auch weiterhin alles tun, um Frauen zu schützen", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über Twitter. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) verwies auf den Runden Tisch, der zu diesem Thema in der kommenden Woche im Bundeskanzleramt stattfinden soll. "Ich sehe es als unser aller Aufgabe als Gesellschaft, sowie Politik und Opferschutzeinrichtungen gemeinsam mit Polizei und Justiz alles zu tun, um diese abscheulichen Taten zu verhindern." Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) kündigte mehr Geld für den Gewaltschutz an. "Der neuerliche Mord an zwei Frauen in Salzburg macht mich zutiefst betroffen. Die Hintergründe der Tat werden derzeit von der Polizei erhoben. Fest steht aber jetzt schon, dass wir alles in unserer Macht stehende tun müssen und werden, um Frauen und ihre Familien vor Gewalt zu schützen."

SPÖ: „Keine wertvolle Zeit verlieren"

"Die Regierung muss endlich handeln und darf keine weitere wertvolle Zeit verlieren. Beim Sicherheitsgipfel waren die Gewaltschutzeinrichtungen, die am besten wissen, was zu tun ist, nicht eingebunden", kritisierte SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek. Laut Raab sollen die Opferschutzeinrichtungen nun beim Runden Tisch nächste Woche eingeladen sein. Sowohl die Motive der Täter wie auch die notwendigen Maßnahmen seien laut Heinisch-Hosek längst bekannt. Die Hochrisikofallkonferenzen müssen sofort und nicht irgendwann in ganz Österreich umgesetzt werden, forderte sie, der Opferschutz brauche dringend mehr Mittel. Die SPÖ forderte die Einrichtung eines ständigen Krisenstabes von Frauen-, Innen- und Justizministerium sowie im Gewaltschutz tätigen Organisationen. "Viele dieser Morde hätten verhindert werden können, wenn die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Opferschutzeinrichtungen und der Datenaustausch über Gefährder besser funktioniert hätten", sagte auch SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner.

"Frauen haben es satt, Angst zu haben, sei es nun in der Partnerschaft oder am Heimweg in der Nacht. Sie wollen nicht mehr das Opfer sein, das sich Hilfe suchen muss. Wir haben eindeutig ein Problem mit Männergewalt und das müssen wir auch klar als solches identifizieren und benennen", sagte NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter. Sie forderte Gewaltprävention schon ab dem Kindergarten. "Den respektvollen Umgang miteinander und die Gleichstellung von Mann und Frau müssen schon die Kleinsten verinnerlichen“, so Brandstötter.

FPÖ fordert nun mehr Geld

Die FPÖ forderte auch, die Hilfsorganisationen rasch einzubinden. "Die schwarz-grüne Regierung soll umgehend mit den Experten aus den Gewaltschutzeinrichtungen beraten und deren Erfahrungen und Expertenmeinungen umsetzen. Wer, wenn nicht jene, die vor Ort Frauen helfen, die in Gefahr sind und Hilfe brauchen, wissen, was wir für den Schutz und die Sicherheit von Frauen brauchen", so FPÖ-Frauensprecherin Rosa Ecker. "Die Gewaltschutzeinrichtungen wissen aus der täglichen Praxis, was gebraucht wird - nämlich eine Aufstockung des Budgets von derzeit 14,5 auf 228 Millionen Euro.“ Als die FPÖ gemeinsam mit der ÖVP in der Regierung war, wurde das Frauenbudget gekürzt, die Fallkonferenzen, die nun wieder eingesetzt werden sollen, abgeschafft.

Klaudia Frieben, die Vorsitzende des Österreichischen Frauenringes, klagte an, dass die Regierung die Dramatik noch nicht erkannt habe, "sonst würde sie nächste Woche nicht zu einem Runden Tisch einladen, der nur für 1,5 Stunden angesetzt ist". "Was muss eigentlich noch passieren, damit endlich ernsthaft, seriös und nachhaltig gehandelt wird? Elf tote Frauen klagen mittlerweile an!"

Frauensprecherin der Grünen, Meri Disoski, kann die Kritik verstehen: "In den letzten 16 Monaten haben wir eine Vielzahl an Maßnahmen zur Stärkung der bestehenden Strukturen gesetzt. Trotzdem sagen uns die ExpertInnen, das reicht nicht. Und sie haben Recht.“ Auch Disoski versprach „langfristig" mehr Geld. Nachholbedarf sieht sie insbesondere in der Gewaltprävention und auch in der Täterarbeit.

Der Verein Neustart, der u.a. auch mit Tätern intensiv an Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung arbeitet, sieht darin ebenfalls viel Potenzial. "Bei unserer Arbeit mit Gewalttäterinnen und Gewalttätern orientieren wir uns an den Standards der opferschutzorientierten Täterarbeit," berichteten die Geschäftsführer Alfred Kohlberger und Christoph Koss. Das Angebot, insbesondere in der Betreuung gewaltbereiter Männer, sei in den vergangenen Jahren kontinuierlich ausgebaut und professionalisiert worden. "Opferschutzorientierte Täterarbeit, das heißt, die enge Vernetzung mit Gewaltschutzzentren, Einzelbetreuungen und 35 Antigewalttrainingsgruppen sind konkrete Maßnahmen zur Deeskalation bei häuslicher Gewalt.

Dazu meldete sich auch der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) zu Wort und bot kurzfristig möglichst vielen potenziellen Gewalttätern ein standardisiertes psychotherapeutisches Angebot in Form von Gruppen und wenn nötig auch mit Einzelpsychotherapie an. Als Kooperationspartner sollen das Familien-, Frauen-, Innen- und das Justizministerium gewonnen werden, hieß es in einer Aussendung.

Neuausschreibung in Salzburg

In Salzburg, wo nun das jüngste Tötungsdelikt zu beklagen ist, gab es bereits eine Diskussion rund um das Thema, nachdem es eine umstrittene Neuausschreibung von zwei Frauenhäusern durch das Land gegeben hatte. Der Ruf wurde laut, diese Ausschreibung zu stoppen, da gut funktionierende Strukturen zerschlagen und jahrzehntelange Aufbauarbeit zerstört würden. Gerade in der Coronakrise war die Gewalt an Frauen noch einmal angestiegen und die Situation besonders kritisch. Die Pläne der verantwortlichen Frauenlandesrätin Andrea Klambauer (NEOS) sahen mehr sogenannte Schutz- oder Übergangswohnungen vor. "Ab Juli werden den Frauen bestens geschützte und kompetent betreute Schutzunterkünfte zur Verfügung stehen. Zu viele schwer gefährdete Frauen scheuen den Weg ins Frauenhaus, hier braucht es ein differenziertes und niedrigschwelliges Angebot", kündigte Klambauer am Freitag in einer Aussendung an.

(APA)

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