U-Ausschuss

VfGH wendet sich an Van der Bellen: Blümel kommt Exekution zuvor

Werde die geforderten Dokumente "noch heute" an die Parlamentsdirektion übermitteln: Finanzminister Gernot Blümel reagierte augenblicklich.
Werde die geforderten Dokumente "noch heute" an die Parlamentsdirektion übermitteln: Finanzminister Gernot Blümel reagierte augenblicklich.APA/ROLAND SCHLAGER
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Bevor der Bundespräsident die vom Verfassungsgerichtshof angeforderte Exekution anordnen konnte, kündigte das Finanzministerium an, alle Akten „noch heute“ zu liefern.

„Das hat es in dieser Form in unserem Land noch nicht gegeben.“ Bundespräsident Alexander Van der Bellen fand am Donnerstag klare Worte, nachdem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bei ihm die Exekution seiner Entscheidung im Finanzministerium beantragte. Konkret ging es um eine Aufforderung an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), dem U-Ausschuss bestimmte E-Mails und Dateien vorzulegen - der er bisher nicht nachgekommen war.

Doch bevor es so weit hätte kommen können und der Bundespräsident die Exekution angeordnet hätte, kündigte das Finanzministerium an, die geforderten Dokumente „noch heute“ an die Parlamentsdirektion zu übermitteln. Dies bestätigte der Bundespräsident in einem Pressestatement. Blümel habe ihm in einem persönlichen Gespräch versichert, dass er den Antrag des VfGH „unverzüglich erfüllen wird“. Wenn die angeforderten Daten also „vollständig eingelangt sind“, so Van der Bellen, „erübrigt sich die vom VfGH beantragte Exekution“. Aber sollte das wider Erwarten nicht der Fall sein, werde er seine „verfassungsmäßigen Pflichten" erfüllen.

Denn in diesem Land gelte die Bundesverfassung, die Demokratie und Rechtsstaat als tragende Säulen unseres Gemeinwesens festlege, sie schreibe vor, wer im Staat wofür verantwortlich ist, verankere die Gewaltenteilung und regle „unser aller Zusammenleben", betonte der Bundespräsident. „An diese Regeln haben wir uns alle zu halten."

Werde seine "verfassungsmäßigen Pflichten" erfüllen, sollte Blümel wider Erwarten die angeforderten Dokumente nicht liefern: Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Werde seine "verfassungsmäßigen Pflichten" erfüllen, sollte Blümel wider Erwarten die angeforderten Dokumente nicht liefern: Bundespräsident Alexander Van der Bellen.APA/GEORG HOCHMUTH

Finanzministerium: „VfGH-Entscheidung zu akzeptieren"

Zum Hintergrund: Die Übermittlung der Daten hatten die Oppositionsfraktionen SPÖ, FPÖ und Neos beantragt. Der VfGH gab am 3. März ihrem Verlangen statt, dass Blümel die E-Mail-Postfächer der Leiterin des Beteiligungsmanagements im Finanzministerium sowie die Korrespondenzen von Ministeriumsmitarbeitern mit dem nunmehrigen Öbag-Chef Thomas Schmid, damals Generalsekretär im Finanzministerium, und anderen Mitarbeitern des damaligen Finanzministers Hartwig Löger (ÖVP) dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen hat.

Da Blümel dem aber nicht nachkam, beantragte die Opposition, die Exekution dieser Entscheidung durch den Bundespräsidenten zu erwirken. Nachdem der VfGH diesem stattgegeben hatte, reagierte das Finanzministerium unverzüglich - noch bevor der Bundespräsident die Exekution aussprechen konnte. "Die VfGH-Entscheidung ist zu akzeptieren und das Bundesministerium für Finanzen wird diesem selbstverständlich unverzüglich und vollumfänglich nachkommen", hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme des Finanzministeriums. Es habe bereits „über 20.000 elektronische Dokumente geliefert und wird noch heute die restlichen Unterlagen an die Parlamentsdirektion übermitteln."

VfGH: „Leistungspflicht, die zwangsweise durchgesetzt werden kann"

Die Verfassungsrichter hatten zuvor festgestellt, dass das Erkenntnis vom 3. März "eine Leistungspflicht enthält, die zwangsweise durchgesetzt werden kann", hieß es in einer Aussendung am Donnerstag. Gemäß Verfassung (Art. 146 Abs. 2 B-VG) sei die Exekution "nach den Weisungen des Bundespräsidenten durch die nach seinem Ermessen beauftragten Organe des Bundes oder der Länder einschließlich des Bundesheeres durchzuführen". Solche Weisungen des Bundespräsidenten bedürfen keiner Gegenzeichnung durch den Bundeskanzler, wenn sich die Exekution – wie hier – gegen ein Organ des Bundes richtet, merkte der VfGH an.

Ein weiterer Antrag der Opposition in dieser Causa hat der VfGH jedoch abgewiesen: Einsicht in die vom Finanzministerium dem VfGH vorgelegten Dateien sei nicht angebracht, weil "keine konkreten Rechtsschutzinteressen vorliegen". Es sei keine Akteneinsicht zu gewähren, wenn deren Gewährung bereits den Streit darüber entscheiden würde, ob die Akten überhaupt dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden müssen, stellten die Verfassungsrichter fest.

Noch nicht entschieden hat der VfGH in Sachen Meinungsverschiedenheiten zwischen Opposition und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) über die Aktenvorlage im U-Ausschuss. SPÖ, FPÖ und Neos haben mehrfach beklagt, kein einziges Mail und keinen einzigen Kalendereintrag des Kanzlers erhalten zu haben. Über ihre Anträge dazu werden die Beratungen kommende Woche fortgesetzt, teilte der VfGH am Donnerstag mit. Das Kanzleramt hat dem Gerichtshof in diesem Verfahren 692 Mails von Mitarbeitern übermittelt, wonach sie in einem "umfassenden Suchprozess" keinerlei "abstrakt relevante Akten und Unterlagen" gefunden haben.

Opposition erzürnt

Die Opposition übte alsbald heftige Kritik an der ÖVP. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch und FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker forderten den Rücktritt Blümels. FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer kritisierte nicht nur die ÖVP, sondern auch den Bundespräsidenten. Er sprach von einem "Skandal erster Güte", dass Van der Bellen über Wochen zu der Causa geschwiegen habe und jetzt wohlwollend zur Kenntnis nehme, dass Blümel unter Androhung der Exekution die Akten liefere.

SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer sprach von einer "wegweisenden Entscheidung" des VfGH und betonte, dass niemand über dem Gesetz und der Verfassung stehe. Für die Neos ist es „beschämend“, dass der Bundespräsident „Blümel und die gesamte Kurz-ÖVP darauf hinweisen muss, dass wir uns ALLE an die Regeln zu halten haben".

(bsch/APA)

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