Gebietskrankenkasse: "Notärzte werden unfinanzierbar"

Gebietskrankenkasse Notaerzte werden unfinanzierbar
Gebietskrankenkasse Notaerzte werden unfinanzierbar(c) Erwin Wodicka
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Die schwer defizitäre Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK ) setzt auf der Suche nach Geld den Hilfsorganisationen finanziell das Messer an. Als Konsequenz wurden bereits die ersten Notarztdienste eingestellt.

WIEN. Die schwer defizitäre Wiener Gebietskrankenkasse wird auf der Suche nach Geld kreativ. Um an neue Einnahmequellen zu kommen, nimmt sich die WGKK nach „Presse“-Informationen das Wiener Notarztsystem vor – mit dem Ergebnis, dass künftig in Wien deutlich weniger Notärzte unterwegs sein könnten.

„Es werden um ein Drittel weniger Notärzte sein, wenn diese Pläne umsetzt werden“, warnt ein Notarzt, der aber anonym bleiben will: „Die Pläne würden für eine Kostenexplosion bei den Hilfsorganisationen sorgen, sodass diese den Notarztdienst nicht mehr finanzieren können.“ Was passiere, wenn dann Notarztwagen, nur mit Sanitätern besetzt, durch Wien fahren, könne man sich vorstellen: „Das wird lebensgefährlich für die Patienten mit Herzinfarkt oder Schlaganfall.“

Hintergrund des Konflikts: Die meisten Notärzte der Hilfsorganisationen (Rotes Kreuz etc.) sind praktische Ärzte mit Notfallausbildung, die neben der Arbeit in ihrer Praxis gelegentlich Schichten in einem Notarztwagen übernehmen. Dafür werden die Mediziner per Werkvertrag mit rund 27 Euro pro Stunde entlohnt. Nun ortet die Gebietskrankenkasse bei diesen Notärzten ein verstecktes Dienstverhältnis und fordert die Rettungsorganisationen auf, diese Notärzte anzustellen.

„Als Folge würden sich die Kosten (wegen der deutlich höheren Sozialabgaben, Anm.) für einen Notarzt verdoppeln“, erklärt ein Mediziner: „Damit würden die betroffenen Hilfsorganisationen den Notarztdienst einstellen, weil er unfinanzierbar wird. Der Notarztdienst ist bereits jetzt kein Gewinnbringer.“

Angebot wird verringert

Die Begehrlichkeiten der Gebietskrankenkasse betreffen fast alle in Wien tätigen Rettungsorganisationen, die Notärzte unter Vertrag haben. Ausgenommen davon ist die Wiener Rettung, also die städtische Berufsrettung, mit ihren 84 angestellten Notärzten.

Oliver Löhlein, Landessekretär des Samariterbundes Wien, hat auf den Druck der WGKK bereits reagiert: „Der Samariterbund hat seine Notarztdienste in Wien bereits jetzt aus Kostengründen reduzieren müssen. Wir kennen die Diskussion und wissen, dass eine Neuregelung der Notarzt-Dienstverhältnisse für uns als Non-Profit-Organisation nicht finanzierbar wäre.“

Seitens der WGKK wird indirekt bestätigt: „Grundsätzlich gibt es in diesem Bereich österreichweit Prüfungen. Und laufende Prüfungen kommentieren wir nicht.“ Das Rote Kreuz hält sich auch zurück: „Wir können noch nichts sagen, weil wir noch verhandeln.“

Was die Kosten explodieren lassen würde: Wird ein Dienstverhältnis festgestellt, müssten die Rettungsorganisationen die Notarztbeiträge für die vergangenen drei Jahre ebenso nachzahlen wie das 13. und 14. Gehalt samt Urlaubsanspruch – was ein schwerer finanzieller Schlag wäre.

Was passiert, wenn die Rettungsorganisationen den Notarztdienst weiter reduzieren? Dann kommt auf Rainer Gottwald, Chef der Wiener (Berufs-)Rettung, Arbeit zu. Immerhin hat sich die Stadt dazu verpflichtet, ein funktionierendes Netz zur Verfügung zu stellen. „Die Versorgung wäre nicht gefährdet“, versichert Gottwald. Es gebe noch freie Planposten, dazu kämen Notärzte, die sich gerade in Ausbildung befinden: „Wir haben täglich 15 Notärzte in Fahrzeugen auf den Straßen im Dienst, die befreundeten Organisationen statistisch gesehen zwei bis zweieinhalb.“ Der Ausfall von nicht ganz 20 Prozent der Wiener Notarztkapazitäten sei kompensierbar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2010)

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