Geschmacksfrage

Testessen im Kiang

Kiang
KiangChristine Pichler
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Die Kiang-Restaurants in Wien bieten moderne chinesische Küche. Ihre Gerichte machen mich ganz nostalgisch.

Wirte, Köche und Restaurantkritiker sehnen die Lokaleröffnungen ­herbei wie sonst wohl nur die treuesten Stammgäste. Die ersten Wochen bin ich durchreserviert. Einen Restaurantbesuch schulde ich – oder er mir? – dem zurückgetretenen Gesundheitsminister Rudolf Anschober. Wenige Tage vor Verkündigung des allerersten Lockdowns trafen wir uns zufällig am Servitenplatz, den wir beide nachbarschaftlich mögen, und ­verabredeten ein Essen, das nie stattfand. Wir wollten ins kleine chinesische Restaurant von Joseph Kiang, der schon einmal ein Lokal in Peking führte und von Dienstag bis Freitag seine gute Küche als Take-away anbietet. Der Name Kiang steht generell für moderne chinesische Küche in Wien. Sein Bruder Thomas Kiang gründete einst das legendäre Kiang in der Rotgasse.

"Ameisenhaufen" im Kiang
"Ameisenhaufen" im KiangValerie Rosenburg

Für Wien war das Lokal eine kleine Revolution: 1984 wurde es von Helmut Richter entworfen und war ein echtes Innenarchitektur-Mekka. (Die Architekten Tillner & Willinger restaurierten es 34  Jahre später.) Plastik, viele Spiegel und viel Glas für die Fensterfront kannten die Wiener nicht, man saß in der Auslage, die Passanten konnten sehen, was man isst! Eine Sensation. Das Lokal war die ideale First-Date-Location, die so keiner nannte. Die Küche war entsprechend der Architektur: modern, klar und teils ganz einfach.

Bis heute gibt es die Kiang-Klassiker, jetzt auch zum Abholen: Die Ameisen am Baum gehören zu den lustigsten Gerichten der Stadt. Man nehme ein riesiges Salatblatt – endlich eine Bestimmung für den Eisbergsalat – und fülle es mit trocken-knusprigen Glasnudeln und einer leicht scharf gewürzten Mischung aus Faschiertem und Gemüse. Rollen und abbeißen. Es tropft ein wenig, aber das gehört pflichtgemäß dazu. (Beim ersten Date soll man immer authentisch sein.) Als kulinarisches Unterhaltungsprogramm bietet sich auch die Peking-Ente an, die mit Gurke, Frühlingszwiebel und Zuckerpflaumensauce in kleine Fladen gerollt wird. Dann wäre da noch „General Tso’s Chicken“ auf der Karte: Das süß-scharfe frittierte Hühnchengericht hat weder China noch einen solchen General je gesehen, wurde aber das bekannteste chinesische Gericht in den USA. Es wurde vom taiwanesischen Küchenchef Peng Chang-Kuei aus Hunan erfunden – und wenn man das dem chinesischen Botschafter serviert, riskiert man einen gröberen diplomatischen Zwischenfall. Also ein ideales Gericht für den Minister und mich eigentlich.

Info

Kiang Dine and Wine, Grünentorgasse 19/2–3, 1090 Wien, Take-away: Di–Fr, 17–19 Uhr.

Kiang Rotgasse, Rotgasse 8, 1010 Wien.

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