Skinhead-Affäre: Kritik an ORF-"Moratorium"

Nach einem halben Jahr ist noch immer nicht klar, wer in der umstrittenden ORF „Am Schauplatz“-Reportage um zwei Skinheads was gesagt hat. Dem Küniglberg droht höchstens eine einmalige Geldstrafe von 10.000 Euro.

Wien. Ein „runder Tisch“ nach der „Zeit im Bild 2“, ein empörter ORF-Informationschef, heftiger Protest der Journalistengewerkschaft und leise Kritik aus dem Staatssekretariat: Reicht das, um die Entscheidung eines Oberlandesgerichts unwirksam zu machen?

Nein, sagt das Justizministerium. Auch Experten betonen, dass es für die jüngste Kehrtwende des ORF in der sogenannten Skinhead-Affäre keine rechtliche Basis gebe.

„Rechtsgültiger Beschluss“

Der ORF hat bekanntlich angekündigt, die Bänder der umstrittenen „Am Schauplatz“-Reportage um zwei Skinheads nun doch nicht herauszurücken. Es gibt zwar einen Beschluss des Oberlandesgerichts Wien, doch ORF-Chef Alexander Wrabetz will dem „im Sinne eines Moratoriums“ nicht Folge leisten – und zwar „bis zu einer eindeutigen Klärung der zukünftigen Rechtslage“.

Im Büro von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner sorgt das für Unmut: „Es geht um einen rechtsgültigen Beschluss eines Oberlandesgerichtes im Rahmen eines Verfahrens nach dem NS-Verbotsgesetz, dem sich in einem Rechtsstaat kein Bürger, kein Verein, keine Institution und auch kein Medium entziehen kann“, heißt es in einer Aussendung.

Staatssekretär Josef Ostermayer will die Entscheidung des ORF zwar nicht im Detail kommentieren, verweist aber auf die Gesetze: „Die Rechtslage ist klar, für den ORF gibt es da null Spielraum.“

Der Salzburger Universitätsprofessor Walter Berka sieht das genauso: „Die Entscheidung verpflichtet den ORF, die Bänder herauszugeben. Weitere Rechtsmittel sind zwar denkbar, aber sie haben keine aufschiebende Wirkung.“

Josef Ostermayer plant noch in dieser Woche ein Treffen mit Claudia Bandion-Ortner, um über eine Verschärfung oder wenigstens Präzisierung des Redaktionsgeheimnisses zu sprechen. Danach will das Staatssekretariat die Mediensprecher der Parteien zu Gesprächen einladen. Man wünsche sich eine „klarere Formulierung“, verlautet aus dem Büro von Josef Ostermayer. Möglich sei auch die Verankerung des Redaktionsgeheimnisses in der Verfassung.

So lange wird die zuständige Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt aber wohl nicht warten. Sie ist für den Vollzug des OLG-Beschlusses zuständig. Als Sanktion bei Zuwiderhandeln drohen entweder eine Beugehaft oder eine Geldstrafe.

Er würde jederzeit für die Pressefreiheit ins Gefängnis gehen, hat ORF-Informationsdirektor Elmar Oberhauser bereits angekündigt. Wahrscheinlicher sei allerdings eine Geldstrafe, die er den Gebührenzahlern nicht zumuten könne, so Oberhauser.

Ganz so schlimm, wie sich das anhört, wird es wohl nicht werden. Leo Levnaic-Iwanski, Sprecher des Oberlandesgerichts Wien, kann diesbezüglich Entwarnung geben: „Laut Strafprozessordnung ist eine Strafe von bis zu 10.000 Euro vorgesehen.“ Und zwar nicht täglich, sondern einmalig. Ob damit die Sache erledigt wäre, kann der Jurist selbst nicht beantworten. „Es wäre spannend, das auszujudizieren.

AUF EINEN BLICK

Reportage-Streit. Beim Dreh einer „Am Schauplatz“-Reportage im März will FPÖ-Chef Strache gehört haben, wie einer der Skinheads „Sieg Heil“ oder „Heil Hitler“ gerufen habe. Seither ermittelt der Staatsanwalt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2010)

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