„Das achte Weltwunder ist eben nicht eingetreten“: ÖVP-Landeschef Schützenhöfer ist trotz Platz zwei zufrieden. Die Fortsetzung der Koalition mit der SPÖ bleibt Wunsch. Ein Ende des Streits wird beschworen.
Graz. Minus 1,5 Prozent. Das zweitschlechteste Ergebnis der Zweiten Republik – nur im Katastrophenjahr 1995, als man von 44,2 auf 36,2 Prozent einbrach, lag man noch tiefer. Weiterhin nur Zweiter hinter der SPÖ: Dennoch feiert sich die steirische ÖVP auch einen Tag nach der Landtagswahl wie ein Sieger. Den nüchternen Zahlenvergleichen setzt man schon am Wahlabend eine fast hysterische Euphorie entgegen. Über eine „beispiellose Aufholjagd“ freut sich da der Führungskader der Partei von Bundesparteichef Josef Pröll über Staatssekretär Reinhold Lopatka bis zum steirischen Klubobmann Christopher Drexler. Pröll verweist mehrfach auf die historisch einmalige Dimension der Verkleinerung des Abstands zu einem regierenden Landeshauptmann schon nach einer Regierungsperiode.
Tatsächlich lag der Abstand zur SPÖ bei der Wahl 2005 bei drei Prozent. Seither hat in Umfragen aber die ÖVP nichts dazu gewonnen, sondern die SPÖ verloren. De facto war es demnach ein stures Auf-der-Stelle-Treten der ÖVP. Man profitierte lediglich vom Schwächeln der SPÖ und fand sich so auf Augenhöhe mit dem Konkurrenten wieder. Noch ohne Berücksichtigung der Wahlkarten (die erste Tranche wird heute, Dienstag, ausgezählt, die zweite am kommenden Montag) sackte die SPÖ am Sonntag zwar um deutliche drei Prozent ab; aber auch die ÖVP verlor eineinhalb Prozent und liegt jetzt bei 37,1 Prozent – so schlecht wie seit 1995 nicht mehr und weiterhin auf Platz 2. Noch im Jänner 2008 hatte Landesparteigeschäftsführer Bernhard Rinner als Ziel definiert, „mit Hermann Schützenhöfer 2010 wieder Nummer eins zu werden“. Alles sei darauf ausgerichtet, hieß es damals. Geklappt hat es nicht.
Gejubelt wurde trotzdem. „Wir brauchen Stimmung“, stachelt Rinner seinen Funktionärsapparat vor dem letzten TV-Einstieg Sonntagabend an. „Wir brauchen Schals, die „Schützi“-Taferln eher nicht“, gibt er letzte Regieanweisungen durchs Mikrofon. „Und nicht Nasenbohren“, kommt noch ein Tipp für eine möglichst makellose Kulisse rund um Hermann Schützenhöfer.
Schützenhöfer selbst gibt mit spitzzüngigen Kommentaren weiterhin den großen Sieger des Abends. „Wenn Franz Voves bei minus drei Prozent überglücklich ist, dann bin ich mit minus 1,5 Prozent im siebten Himmel“, feixt er. Kämpferischer Nachsatz: Die SPÖ brauche sich jedenfalls „nichts einzubilden“. Die Claqueure danken mit „Schützi!“-Rufen.
„Kein achtes Weltwunder“
Die Begeisterung setzt sich am Montag fort. In der knapp zweistündigen Sitzung des Parteivorstands der Steirer-VP bleibt Kritik ausgespart. „Das wäre ja noch schöner, wenn jemand kommt und nach dieser Aufholjagd sagt, wie haben den falschen Spitzenkandidaten gehabt“, wundert sich Schützenhöfer über entsprechende Journalistenfragen. Personalrochaden im Regierungsteam schließt er aber nicht aus.
Die noch am Wahlabend unter Funktionären geäußerte Kritik an der Grazer ÖVP lässt er dagegen nicht gelten. Tatsächlich hatte man sich von der Stadtpartei aber mehr erwartet als ein (exklusive Wahlkarten) Minus von 2,6 Prozent und einen auf fast vier Prozent gewachsenen Abstand zur SPÖ. „Das achte Weltwunder ist eben nicht eingetreten“, resümiert Schützenhöfer. Gestärkt fühle er sich trotzdem. Theoretisch ist die Ausgangslage für die ÖVP tatsächlich offen. Denn macht die KPÖ ihr Wahlversprechen wahr und wählt weder Voves noch Schützenhöfer zum Landeshauptmann, dann könnte sich im Landtag mit Hilfe der FPÖ eine Mehrheit für Schützenhöfer ausgehen. Er selbst präferiert aber weiterhin eine Regierungszusammenarbeit mit der SPÖ. Eine Kooperation, die längst zur Konfrontation mutiert war.
„Er kann es nicht!“, „Franz Voves hat seine Chance gehabt!“, „Er hat keine Handschlagqualität.“: Derartige Angriffe gehörten zum Standardrepertoire der ÖVP-Politiker in den vergangenen fünf Jahren. Jetzt soll alles besser werden. „Die Zeit der Schuldzuweisungen ist vorbei“, plädiert Schützenhöfer für einen Neubeginn der zersausten Zweierbeziehung: „Meine Meinung war immer: Die zwei Großen sollen zusammenarbeiten – und dabei bleibe ich.“ Leicht will er es der SPÖ aber nicht machen. „Ein ,Friß-Vogel-oder-stirb' wird nicht möglich sein“, warnt der ÖVP-Chef und fordert „vertrauensbildende Maßnahmen des Ersten“ ein. Er dränge sich zwar nicht auf, aber seine Hand sei ausgestreckt.
Voves will sich noch nicht festlegen
Ob sie SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves annehmen wird? Am Montag wollte sich darauf in der SPÖ niemand festlegen. Nach einer rauschenden Siegesfeiernacht wurde am Montag bei einer Vorstandssitzung noch einmal der Triumph ausgeschlachtet – und die Frage des möglichen Koalitionspartners offen gelassen. Voves sagte, er wolle zunächst die endgültige Mandatsverteilung abwarten, denn die Briefwahl-Stimmen könnten noch für Verschiebungen sorgen. Sitzungsteilnehmer berichteten, dass es eine Mehrheit für eine Koalition mit der ÖVP gebe, das könne sich aber noch ändern.
AUF EINEN BLICK
■Gewinner einer Niederlage. Die steirische ÖVP feiert trotz Verlusts von 1,5 Prozent und Festhaltens an Platz 2 ihr historisch zweitschlechtestes Ergebnis als Erfolg. Tatsächlich könnte es trotz Mandatsgleichstands zwischen rechts und links im Landtag zu einer Mehrheit für einen ÖVP-Landeshauptmann kommen. ÖVP-Obmann Hermann Schützenhöfer präferiert aber eine Kooperation mit der SPÖ, um die notwendige Budgetsanierung und Strukturreformen durchsetzen zu können. „Die Gemeinden sind ja lauter Bomben“, spielt er auf den Umstand an, dass gut die Hälfte der steirischen Kommunen kein ausgeglichenes Budget mehr zustande bringt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28. September 2010)