Randerscheinung

Schauen statt schütteln

Florian Asamer
Florian Asamer Carolina Frank
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Das mit dem gerade verbotenen Händeschütteln geht mir ja überhaupt nicht ab, sondern war für mich immer schon eine ziemlich durchwachsene Sache.

Als Kind gab es da diesen „Gib artig die Hand“-Teil, der mir sehr unangenehm war. Für viele Kinder ist es ja schon schwierig, einem Erwachsenen direkt in die Augen zu schauen und zu sprechen – ganz ohne Berührung. Meistens geht es übrigens ein paar Minuten später dann ohnehin ganz von allein. Aber auch das Handgeben mit Gleichaltrigen war oft viel mehr als eine reine Begrüßung. Unter Buben geriet das schnell zu einer Art Kraftprobe. Der Kräftigere quetschte dem Schwächeren die Finger zusammen, und zwar so, dass es schon weh tat, aber nicht unbedingt Absicht sein musste. War es aber natürlich. Eine unsichtbare, aber sehr wirkungsvolle Machtdemonstration.

Aber auch harmlosere Dinge, wie schwitzige oder ungewaschene-pickige Hände, die dann auch gern einmal kurz vor dem Handschlag seitlich an der Hose abgewischt wurden, waren Kollateral­schäden des Händeschüttelzwangs. All diese Erfahrungen machte ich dann als Erwachsener wieder. Auch hier war das Handgeben von versteckten Botschaften begleitet, nicht immer waren diese wohlwollend; man spricht nicht umsonst vom Handschlag. Auch soziale Unterschiede wurden so buchstäblich greifbar. Der Handwerker etwa, der mit seiner schwieligen Hand die zarte Kopfarbeiterhand schüttelte, der man ansah und -fühlte, dass sie schon beim Aufbau eines Ikea-Regals in Blasen­gefahr geriet. Ziemlich gruselig ist die Alternative, die härtesten Körperteile (Fäuste, Ellbogen, vielleicht noch die Knie?) als Begrüßung gegeneinanderzuschlagen. Warum nicht leicht verbeugen, dabei dem Gegenüber in die Augen schauen? Wer unbedingt will, schaut eben nur mittelfreundlich.

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