Aktenlieferung

Blümel für Opposition "rücktrittsreif", für Grüne "weiterhin tragbar"

Die Grünen halten Finanzminister Blümel die Stange - wenn auch die Vorgangsweise bei der Aktenlieferung "mehr als unglücklich" gewesen sei, wie sie Vizekanzler Kogler bezeichnet.
Die Grünen halten Finanzminister Blümel die Stange - wenn auch die Vorgangsweise bei der Aktenlieferung "mehr als unglücklich" gewesen sei, wie sie Vizekanzler Kogler bezeichnet. APA/GEORG HOCHMUTH
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Dass die vom Finanzministerium gelieferten Akten als „geheim" klassifiziert wurden, sei „nicht akzeptabel“, so die FPÖ. Die Neos fordern die Herabstufung der Geheimhaltungsstufe, die SPÖ den sofortigen Rücktritt Blümels. Die ÖVP vereidigt diesen und will gegen die Justiz vorgehen, die Grünen üben leise Kritik.

Die Grünen schließen sich den Rücktrittsaufforderungen an Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wegen der zögerlichen Aktenlieferung an den U-Ausschuss nicht an. Die Vorwürfe reichten nicht für einen Rücktritt, befand die Grüne Klubobfrau Sigrid Maurer im Ö1-"Mittagsjournal". Die Vorgangsweise der Aktenlieferung sei aber "mehr als unglücklich". "Schneller und direkter wäre gescheiter gewesen", tadelte auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in der "Krone" den Koalitionspartner.

Blümel hatte die Aufforderung des Verfassungsgerichtshofs, dem Ibiza-U-Ausschuss E-Mails zu liefern, zwei Monate lang ignoriert. Erst eine von den Höchstrichtern beim Bundespräsidenten beantragte Exekution des Urteils führte am Donnerstag zur Übermittlung der Unterlagen. Die Opposition fordert Blümels Rücktritt.

Blümel als Finanzminister noch tragbar?

Die Frage, ob Blümel für die Grünen noch tragbar sei, bejahte Maurer am Freitag. Man sei in einer gemeinsamen Regierung und die Vorwürfe reichten aus ihrer Sicht nicht aus. Das Finanzministerium habe mittlerweile aber wohl selbst erkannt, dass es "klüger" gewesen wäre, gleich zu liefern. Entscheidend ist für Maurer allerdings, dass die Akten nun im Parlament sind. Gegen scharfe Kritik von Verfassungsrechtler Heinz Mayer verteidigte Maurer die ÖVP: Der türkise Regierungspartner agiere im Rahmen der Verfassung - "wenn auch sehr zögerlich".

Vizekanzler und Grünen-Chef Kogler meinte zwar, es sei "gut, dass der Verfassungsgerichtshof das jetzt geklärt hat". "Einsehen muss man das aber nicht, dass das so lange gedauert hat und bis zum Äußersten gegangen ist", kritisierte er Blümels Vorgangsweise.

Nina Tomaselli, die Fraktionsführerin der Grünen im U-Ausschuss, findet die Vorgangsweise des Finanzministeriums "sehr, sehr peinlich". Es sei für sie "absolut unverständlich, wieso es überhaupt so weit gekommen ist und es diese Eskalationsstufe gebraucht hat". Der VfGH sei "oberste Hüterin der Grundrechte" und seine Entscheidungen "müssen für alle gelten", insbesondere für Staatsorgane und "ohne Wenn und Aber". Offen ist noch die Entscheidung des VfGH zu Akten aus dem Kanzleramt. Sebastian Kurz (ÖVP) argumentiert, dass es die verlangten Unterlagen nicht gibt oder sie gelöscht wurden. Tomaselli hofft dennoch auf eine Lieferung: "Ich gehe davon aus, dass man die Rute, die der Verfassungsgerichtshof ins Fenster gestellt hat, auch im Bundeskanzleramt verstanden hat."

FPÖ und SPÖ fordern sofortigen Rücktritt

Die Opposition forderte unterdessen den sofortigen Rücktritt Blümels. Der stellvertretende Klubvorsitzende der SPÖ, Jörg Leichtfried, und der SP-Fraktionsvorsitzende im U-Ausschuss, Jan Krainer, kündigten am Freitag dazu eine Sondersitzung des Nationalrates an.

Krainer geht davon aus, dass Blümel bis spätestens Montag zurücktritt. Für ihn sei es nur noch die Frage, wer den Finanzminister darauf vorbereite. Wenn das nicht geschehen sollte, dann würde die SPÖ "alle Optionen im Parlament" nützen. Leichtfried ergänzte, dass die SPÖ bezüglich der Sondersitzung bereits mit den anderen Oppositionsparteien im Gespräch sei. Dort würde man Blümel mit "weiteren Maßnahmen" konfrontieren.

Auch die FPÖ forderte den Rücktritt von Blümel. Der Finanzminister habe in einem "unglaublichen Eiertanz" alles getan, um das Parlament massiv in der Aufklärung zu behindern, so Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im U-Ausschuss, am Freitag. Er sprach von „Kaltschnäuzigkeit" angesichts der nun gelieferten 30 Kartons, die wohl schon längst fertig kopiert im Finanzministerium gestanden seien.

Als Verhöhnung des Parlaments wertete er die Einstufung des Materials als "geheim“, was Abgeordnete, die auch nur über den Inhalt sprächen, mit Gefängnisstrafen bedrohe. Dass man diesen Wust an Papier nur im Aktenraum im Parlament einsehen und sich nur Notizen machen dürfe, sei nicht akzeptabel. In der nächsten Präsidiale werden man versuchen, diese Klassifizierung wegzubekommen.

Neos fordern Herabstufung der Geheimhaltungsstufe

Auch die Neos fordern die Herabstufung der Geheimhaltungsstufe der Dokumente. Fraktionschefin Stephanie Krisper forderte Nationalratspräsident Wolfgang Sobokta (ÖVP) auf, die Interessen des Parlaments zu vertreten und nicht die "türkise Familie". Außerdem drängt sie auf elektronische Übermittlung der vom Finanzministerium ausgedruckten Unterlagen und will eine Exekution durch den Bundespräsidenten prüfen.

Aus Krispers Sicht wurden die Unterlagen nicht ordnungsgemäß übermittelt. Sie will daher prüfen, ob Bundespräsident Alexander Van der Bellen nun trotzdem tätig werden muss, "weil diese Lieferung eine Nichtlieferung ist". "Das sind neue Rechtsfragen, die sich nur auftun, weil eine Regierung erstmals so respektlos mit den Rechten eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses umgeht", kritisierte Krisper und forderte den Rücktritt von Finanzminister Blümel. "Der neue Stil der ÖVP und des Sebastian Kurz heißt eigentlich, keinen Respekt vor den höchsten Instanzen in diesem Land."

Krisper erinnerte daran, dass Ministerien die dem Ausschuss gelieferten Unterlagen mit keiner höheren Geheimhaltungsstufe versehen dürfen als sie auch innerhalb des Ministeriums gilt. Daher fordere sie nun Einblick in das Register aller als geheim eingestuften Unterlagen des Ministeriums. Denn am Donnerstag seien selbst Pressespiegel als "geheime" Unterlagen übermittelt worden. Außerdem forderte die Abgeordnete die Übermittlung der E-Mails in elektronischer Form. Die Arbeit werde mit den ausgedruckten massiv erschwert - und das wisse die ÖVP auch.

ÖVP verteidigt Blümel

Die ÖVP hat am Freitag den Finanzminister verteidigt. "Die Akten sind geliefert und ich bin der Meinung, wir sollten uns wieder wichtigeren Themen zuwenden", sagte Fraktionschef Andreas Hanger am Freitag. Gemeinsam mit Kollegen aus Wien und dem Burgenland sprach er lieber über den "Skandalsumpf" der SPÖ und zeigte die Oberstaatsanwaltschaft wegen der Aktenlieferungen an den U-Ausschuss an.

Konkret sieht Hanger eine Verletzung des Amtsgeheimnisses, weil der U-Ausschuss inhaltlich irrelevante Chatprotokolle von Öbag-Chef Thomas Schmid erhalten habe. Dort gehe es lediglich um "Tritsch und Tratsch und Klatsch", es bestehe kein Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand, kritisierte Hanger. Dies habe man bei der Staatsanwaltschaft Wien angezeigt. Die tatsächlich relevanten Chatverläufe von Ex-FP-Chef Heinz-Christian Strache habe man dagegen immer noch nicht erhalten: "Das Maß ist voll, uns reicht es."

Die verspätete Aktenlieferung durch Blümel verteidigte Hanger. Dass letztlich erst der Exekutionsantrag zur Übermittlung der Unterlagen geführt hat, gestand er aber ein. "Das war dann natürlich der unmittelbare Anlass, die Akten zu liefern.“ Hanger erklärte Blümels Vorgehen damit, dass das Finanzministerium die Unterlagen vor Übermittlung an den Untersuchungsausschuss datenschutzrechtlich habe prüfen müssen. "Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, was zu liefern ist. Er hat nicht die Möglichkeit, eine sachliche Überprüfung jedes einzelnen E-Mails vorzunehmen."

Und wie geht es mit Sebastian Kurz weiter?

Ob Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), gegen den noch mehrere Beschwerden der Opposition beim Höchstgericht anhängig ist, seine Haltung nun überdenken und nach Backups seiner gelöschten Kalendereinträge suchen lassen sollte, wollte Hanger nicht beurteilen. Der Kanzler habe eine "sehr klare Vorgehensweise" gewählt und alles Relevante dem Staatsarchiv übergeben, alles andere gelöscht: "Der Verfassungsgerichtshof wird hier eine Meinung dazu abgeben."

Im Übrigen hält Hanger die Causa Blümel für erledigt: "Die Akten wurden gestern geliefert, das ist das Faktum, das entscheidend ist." Und: "Sie kennen meine prinzipielle Meinung zum Untersuchungsausschuss: das ist Steuergeldverschwendung."

(APA)

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