Verdacht auf Doppelmord

Getötete Frauen in Salzburg: Opfer machte Anzeige wegen Stalking

SALZBURG: MORDALARM IM FLACHGAU: EX-FREUNDIN UND MUTTER ERSCHOSSEN
SALZBURG: MORDALARM IM FLACHGAU: EX-FREUNDIN UND MUTTER ERSCHOSSENAPA/BARBARA GINDL
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Das 50-jährige Opfer und ihr Bruder sollen dem Tatverdächtigen im Jänner Stalking vorgeworfen haben. Es kam zu gegenseitigen Anzeigen, die Polizei versuchte zu vermitteln.

Nach der Tötung von zwei Frauen in der Nacht auf Donnerstag in Salzburg ist das Motiv der Bluttat am Freitagvormittag noch unklar gewesen. Der mutmaßliche Täter stellte sich wenige Stunden nach der Tat der Polizei. Der 51-jährige Privatdetektiv aus der Stadt Salzburg gestand, seine 50-jährige Ex-Freundin und deren 76-jährige Mutter in Wals-Siezenheim erschossen zu haben. Offenbar soll er die 50-Jährige gestalkt haben und der Bruder der Frau gegen die Beziehung gewesen sein.

Die tödlichen Schüssen fielen im Eingangsbereich des Einfamilienhauses gegen Mitternacht. Wie die Landespolizeidirektion Salzburg am Freitag informierte, habe der Mann seine Ex-Lebensgefährtin durch sieben Schüsse und deren Mutter durch drei Schüsse getötet. Den bisherigen Ermittlungen zufolge hat es zuvor eine Auseinandersetzung gegeben. Nachdem der Mann um 23.30 Uhr zum Haus der 50-Jährigen gefahren war, sei es dort vorerst zu einem verbalen Streit mit der Mutter gekommen. Weil diese ihn dann körperlich attackiert haben soll, "zog er seine Faustfeuerwaffe und schoss damit aus kurzer Distanz auf die Frau", hieß es im Polizeibericht.

Der Beschuldigte hat bei der Einvernahme auch geschildert, dass er nach den Schüssen auf die 76-Jährige auch auf seine ehemalige Lebensgefährtin geschossen habe, aus ihm unerklärlichen Gründen. Nach den Schüssen flüchtete er mit seinem Wagen direkt zum Wolfgangsee. Er wurde in Abersee am Wolfgangsee (Flachgau) um 4.30 Uhr festgenommen, nachdem er sich der Cobra gestellt und zuvor Suizid angekündigt hatte. Die Beamten stellten bei ihm zwei geladene Schusswaffen sicher, die er legal besessen hatte. Bei den Obduktionen der beiden Leichen am Donnerstag stellten die Gerichtsmediziner die Schussverletzungen als Todesursache fest.

Gegenseitige Anzeigen

Mittlerweile wurden Details im Vorfeld der Tat bekannt. Dieser dürfte ein Beziehungskonflikt vorausgegangen sein. Medienberichten zufolge soll es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Bruder der getöteten 50-Jährigen und dem Verdächtigen gekommen sein, weil sich der Bruder gegen die Beziehung der beiden ausgesprochen habe. Weiters soll der Beschuldigte die Frau gestalkt haben.

Bei der Staatsanwaltschaft liegt dazu ein Akt auf. Demnach hat der nunmehrige Tatverdächtige Ende Dezember 2020 auf der Polizeiinspektion Wals Anzeige erstattet, wie Staatsanwaltschaftssprecherin Elena Haslinger am Freitag bestätigte. Der Mann gab an, dass sich der Bruder der 50-Jährigen aggressiv gegen ihn verhalte, weil dieser und seine Mutter gegen die Beziehung zwischen ihm und der Schwester seien. Er befürchte eine Auseinandersetzung, habe der 51-Jährige gegenüber der Polizei angegeben. Der Inhalt der Anzeige habe aber keinen strafrechtlich relevanten Tatbestand erfüllt, sagte Haslinger. Seitens der Polizeiinspektion sei mit den Beteiligten gesprochen worden, um den Sachverhalt zu klären.

"Hin und her" geschrieben

Am 19. Jänner 2021 seien dann der Bruder der 50-Jährigen und die Frau selbst auf die Polizeiinspektion gekommen, um Anzeige wegen beharrlicher Verfolgung (Stalking, Anm.) gegen den 51-Jährigen zu erstatten. Die beiden legten laut der Sprecherin einen Schriftverkehr mit E-Mails und Screenshots von WhatsApp-Nachrichten vor.

Die Durchsicht des Schriftverkehrs habe ergeben, dass der 51-Jährige und die 50-Jährige "hin und her" geschrieben haben, erläuterte Haslinger. Die Frau habe geantwortet, auch inhaltlich. Aus den Nachrichten lasse sich entnehmen, dass sie dem Mann auch wohlgesonnen war. Es habe sich nicht um eine einseitige Kontaktaufnahme seitens des 51-Jährigen gehandelt, sondern es sei eine wechselseitige Kontaktaufnahme gewesen, erklärte die Staatsanwaltschaftssprecherin.

Aufgrund der Anzeigenerstattung versuchte die Polizei, den Fall an Ort und Stelle bei einem Gespräch mit den Beteiligten zu klären, wie Haslinger erklärte. Der Beschuldigte sei angerufen und per Lautsprecher zugeschaltet worden. Die 50-Jährige habe angegeben, dass sie die Beziehung mit dem Beschuldigten ruhend lassen will. Der Mann habe sich damit einverstanden gezeigt und erklärt, er werde sich von der Frau und ihrem Bruder fernhalten. Alle Gesprächsbeteiligten hätten erklärt, von einer (weiteren) Anzeige Abstand zu nehmen.

„Kein Anfangsverdacht"

Die Polizeiinspektion Wals übermittelte daraufhin einen Bericht an die Staatsanwaltschaft Salzburg, samt dem E-Mail-Verkehr und den WhatsApp-Nachrichten. Der zuständige Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft sei nach Prüfung zu dem Schluss gekommen, dass es keinen Anfangsverdacht für ein strafrechtlich relevantes Verhalten gebe, auch nicht in Bezug auf eine beharrliche Verfolgung, da keine einseitige Kontaktaufnahme vorgelegen sei, sagte Haslinger.

Am 27. Jänner habe der zuständige Sachbearbeiter der Staatsanwaltschaft verfügt, dass von der Einleitung einer Ermittlungsaufnahme abgesehen werde, "weil kein Anfangsverdacht vorliegt", so die Sprecherin. Sowohl der Bruder der 50-Jährigen als auch der 51-Jährige seien darüber verständigt worden. Seither seien keine weiteren Eingaben im Akt erfolgt.

Wie intensiv die Beziehung zwischen dem Beschuldigten und dem Opfer war und ob diese etwa noch bis zur Tötung der Frau bestanden hat, wird derzeit ermittelt. Die Polizei geht davon aus, dass es zwischen dem Tatverdächtigen und der 50-Jährigen einmal eine Beziehung gegeben hat, wie Polizei-Sprecher Hans Wolfgruber sagte. Der Detektiv habe erklärt, dass die Beziehung bis zur Tat aufrecht gewesen sei.

Beschuldigter oder unbescholten?

Der Tatverdächtige sei bisher nicht einschlägig aufgefallen, erklärte Wolfgruber. Der Mann sei amtsbekannt gewesen, zum überwiegenden Teil wegen seiner beruflichen Tätigkeit als Detektiv, etwa wenn es um Anzeigen gegen andere Personen gegangen ist. "Mitunter ist er auch Beschuldigter gewesen." Der 51-Jährige habe trotz zahlreicher, zumeist seiner beruflichen Tätigkeit geschuldeter polizeilicher Amtshandlungen, gerichtlich als unbescholten gegolten.

Ob die Opfer mit Schüssen in den Kopf getötet wurden, haben bisher weder Staatsanwaltschaft noch Polizei bestätigt. Der Tatverdächtige wird heute in die Justizanstalt Salzburg überstellt. Die Staatsanwaltschaft Salzburg werde heute am Nachmittag einen Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft über den Beschuldigten bei Gericht einbringen, kündigte Haslinger an.

(APA)

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