Signalübertragung

Sicher kommunizieren in luftigen Höhen

Ein neuer Kommunikationsstandard will sicherheitskritische Daten in Passagierflugzeugen gewohnt schnell, aber mit weniger Verkabelungsaufwand zirkulieren lassen.
Ein neuer Kommunikationsstandard will sicherheitskritische Daten in Passagierflugzeugen gewohnt schnell, aber mit weniger Verkabelungsaufwand zirkulieren lassen.Imago Images
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Ein neuer Kommunikationsstandard will sicherheitskritische Daten in Passagierflugzeugen gewohnt schnell, aber mit weniger Verkabelungsaufwand zirkulieren lassen. In der Raumfahrt wird er schon genutzt.

Andreas Eckel ist für gewöhnlich gut 35 Wochen im Jahr auf Reisen. Doch die Pandemie hat auch ihn auf heimische Gefilde zurückgeworfen: Eckels letzte Flüge, nach Brüssel und retour in die Heimat, sind mehr als ein Jahr her. Am Wiener Standort des Hard- und Softwareplattformherstellers TTTech kommt jedoch unmöglich Langeweile auf: Gerade wird die Ethernet-basierte Kommunikationstechnologie, ein Netzwerkstandard für die schnelle Datenübertragung, der auch in Autos und Fabriken auf dem Vormarsch ist, weiterentwickelt. Im aktuellen von der FFG geförderten Projekt „Innas“ dreht sich jedoch alles ums Flugzeug.

Das neue Kommunikationssystem soll dort kritische Anwendungen zuverlässig – und im Bereich einer Millisekunde – ausführen. „Das betrifft etwa die Steuerung der Vorflügel und Auftriebshilfen“, schildert der Leiter der Innovationsprojekte bei TTTech. Was dabei für Eckel den Unterschied bedeutet: Bisher sind in Flugzeugen neben dem Hauptnetz weitere Kommunikationssubsysteme wie MIL-1553 oder ARINC 429, beides Speziallösungen für genau jene schnellen Steuerschleifen, im Einsatz. In der Lösung der Wiener sollen diese schrittweise durch Ethernet-basierte Komponenten ersetzt werden. Was die Zahl erforderlicher Netzwerkknoten – Übergangspunkte zwischen unterschiedlichen Protokollen bei der Signalübertragung – reduziert.

Ariane 6 steht Pate

„Ein geringerer Wartungsaufwand wäre neben der einfacheren Verkabelung ein weiteres Zuckerl für Hersteller und Betreiber“, sagt Eckel und erzählt, dass TTTech jene Netzwerktechnologie schon für die europäische Trägerrakete Ariane 6 produziert hat. Am Ende könnte in der zivilen Luftfahrt durch den Gewichtswegfall an Bord sogar die Nutzlast erhöht werden. Seit Wochen finden dafür nun Leistungstests im Labormaßstab – in der Luftfahrt „iron bird“ genannt – mit Aktuatoren, Sensoren und Rechnerelementen statt.

Eine wesentliche Aufgabe hat dabei Michael Waltl. Der Forscher am Institut für Mikroelektronik der TU Wien überprüft im Projekt die Zuverlässigkeit von integrierten elektronischen Bauelementen. Die Anforderungen an diese sind gewaltig, faktisch herrscht hier Null-Fehler-Toleranz. Weshalb seinem Team die Aufgabe zufalle, die Hardware-Bausteine bis auf den Einzeltransistorlevel auf Zuverlässigkeit zu untersuchen. Und mit Methoden wie der Einzeldefektspektroskopie Aussagen darüber zu treffen, „wann etwa die Notwendigkeit gegeben ist, Schaltkreise redundant auszulegen“, so Waltl.

Der Demonstrator wird nun bis Herbst finalisiert, Messergebnisse zusammengefasst, die Reports geschrieben. Auch für die Kontrolle weiterer kritischer Flugzeugsubsysteme wie etwa Fahrwerkslenkung und -bremsen sowie der primären und sekundären Flugsteuerung will man die Kommunikationsplattform heranziehen. In der konventionellen Luftfahrt sei die Serienreife der neuen Technologie wohl bereits für die nächste Flugzeuggeneration zu erwarten. Die Herausforderungen der Entwicklung eines solchen Serienprodukts nimmt der TTTech-Mann sportlich. Hier warte um einiges mehr an technischer Arbeit. „Und erheblicher Dokumentationsaufwand“, sagt er.

IN ZAHLEN

0,01 Sekunden bleiben in sicherheitskritischen Bereichen der Luftfahrt Zeit, um Maßnahmen automatisiert einzuleiten: etwa um eine Bremse an der Flügelspitze auszulösen, wenn plötzlich die Welle zur Steuerung des Querruders bricht.

35 Milliarden Transistoren. In dieser Größenordnung kann die Zahl der verbauten elektronischen Halbleiterbauelemente bei anwendungsspezifischen integrierten Schaltungen (kurz Asic) liegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2021)

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