Medizin

Lichtblick für Patienten mit Netzhauterkrankungen

Menschen mit bestimmten Augenleiden sollen dank künstlicher Intelligenz bald bessere Heilungschancen haben.
Menschen mit bestimmten Augenleiden sollen dank künstlicher Intelligenz bald bessere Heilungschancen haben.Clemens Fabry
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Menschen mit bestimmten Augenleiden sollen dank künstlicher Intelligenz bald bessere Heilungschancen haben. An der Med-Uni Wien wurde dafür ein Christian-Doppler-Labor eingerichtet.

„Es geht in erster Linie darum, die Ärzte bei der Diagnosestellung und bei der Therapiewahl zu unterstützen“, sagt Hrvoje Bogunović von der Uni-Klinik für Augenheilkunde und Optometrie in Wien und Leiter des neuen Christian-Doppler (CD)-Labors für künstliche Intelligenz (KI) in der Netzhaut. Die Netzhaut ist jener Teil im Inneren des Auges, der das einfallende Licht in Nervenimpulse umwandelt. Im Alter oder als Folge von Diabetes kann sie in Mitleidenschaft gezogen werden, was mitunter sogar zur Erblindung führt.

„KI ist sehr effizient im Erkennen von Mustern“, sagt Bogunović. Er erhofft sich künftig eine raschere und zuverlässigere Analyse der Bilder, die mittels Netzhaut-Scans, Optischer Kohärenztomografie und anderen bildgebenden Diagnoseverfahren vom erkrankten Auge erstellt werden. Selbst für erfahrene Ärzte sei es oft sehr schwierig und langwierig, aus der Fülle an Informationen aus unterschiedlichen Quellen eindeutige Erkenntnisse zu gewinnen. Algorithmen vergleichen hingegen große Datenmengen in Sekundenschnelle, können Biomarker, die auf Erkrankungen hinweisen, identifizieren. Zudem erlauben sie es, Veränderungen im Krankheitsbild exakt zu erfassen. „Damit sind auch präzisere Vorhersagen über den weiteren Verlauf möglich“, so Bogunović. „Der Abgleich von Mustern im Datensatz ist letztlich auch viel objektiver als die beste Einschätzung, die Mediziner auf Grundlage ihrer Erfahrung und Expertise treffen können.“

Mehr als nur das Ergebnis

Um KI für die Praxis in Augenkliniken einsatztauglich zu machen, gelte es zunächst, die Menge an benötigten Daten zugunsten der Selbstlernfähigkeit des Systems zu reduzieren. Zudem, so der Leiter des Labors, müsse die Verallgemeinerungsfähigkeit des Algorithmus erhöht werden: „Es darf keine Rolle spielen, mit dem Gerät welchen Herstellers ein Bild aufgenommen wurde.“ Schließlich sei es wichtig, dass die automatisch erstellten Befunde vertrauenswürdig sind: „Es muss nachvollziehbar sein, wie der Computer zu seiner Interpretation gelangt. Das bloße Ergebnis genügt nicht. Und die Maschine muss auch in der Lage sein zuzugeben, wenn sie einmal keine eindeutige Diagnose erstellen kann.“ Der Einsatz von KI bringe Vorteile für alle, ist Bogunović sicher: „Die Behandlung der Kranken kann individualisiert und damit optimiert werden, die Mediziner profitieren von effizienteren Arbeitsabläufen.“ Netzhaut-Defekte sind übrigens gar nicht so selten: Pro Jahr werden in Österreich im Zuge von Befunden und Therapien rund 300.000 Netzhaut-Scans erstellt.

Um verbesserte Heilungschancen geht es auch am „CD-Labor für Personalisierte Immuntherapie“, das vor wenigen Tagen ebenfalls an der Med-Uni Wien eröffnet wurde. Die Forscher unter der Leitung von Matthias Preusser von der Klinischen Abteilung für Onkologie erhoffen sich Einblicke in das komplexe Zusammenspiel zwischen dem Immunsystem krebskranker Patienten und dem Tumorgewebe. Ziel ist, individuelle und damit noch wirksamere Therapiemethoden zu entwickeln, bei denen die körpereigenen Abwehrkräfte im Kampf gegen die Krankheit eine zentrale Rolle spielen.

LEXIKON

Die Netzhaut (Retina) ist ein Nervengewebe an der Innenseite der Augenwand. Sie ist mit lichtempfindlichen Zellen in Form von Stäbchen (für das Schwarz-Weiß-Sehen zuständig) und Zäpfchen (ermöglichen das Farbsehen) ausgestattet, die das einfallende Licht in Nervenimpulse umwandeln. Diese elek-trischen Signale werden über den Seh-nerv ans Gehirn weitergeleitet und dort interpretiert. Im Zentrum der Netzhaut befindet sich der „gelbe Fleck“, die Stelle des schärfsten Sehens. Der „blinde Fleck“ ist die Austrittsstelle des Sehnervs. Dort befinden sich keine Lichtsinneszellen, weshalb man dort nichts sieht. Das Gehirn ergänzt die Wahr-nehmung zu einem vollständigen Bild.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2021)

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