Junge Forschung

Nur kirschkerngroß, aber essenziell

Alexander Micko beschäftigt sich mit seltenen aggressiv wachsenden Tumoren der Hinranhangdrüse.
Alexander Micko beschäftigt sich mit seltenen aggressiv wachsenden Tumoren der Hinranhangdrüse.Clemens Fabry
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Auch gutartige Pathologien im Bereich der Hypophyse haben gravierende Auswirkungen. Der Neurochirurg Alexander Micko forscht an besseren Operationstechniken.

Zum AKH Wien hat Alexander Micko eine besondere Beziehung: Vor 36 Jahren erblickte er hier das Licht der Welt. Heute behandelt er an der dort angesiedelten Uni-Klinik für Neurochirurgie Patienten mit Erkrankungen des Gehirns und der Wirbelsäule. Und widmet sich der Wissenschaft. Wobei die Weichen für ihn ebenfalls früh gestellt wurden. Bereits seit dem dritten Jahr seines Medizinstudiums arbeitet er in der Forschungsgruppe für Hypophysenchirurgie der Med-Uni Wien. „Das Gehirn hat mich schon als Student interessiert“, erzählt der Facharzt für Neurochirurgie. „Im Verlauf meiner Diplomarbeit haben dann die Leiter dieser Arbeitsgruppe, meine späteren Mentoren Engelberg Knosp und Stefan Wolfersberger, den Ausschlag für die Wahl meines Fachgebiets gegeben.“ Gleich nach dem Studium wurde Micko Assistenzarzt und nahm seinen PhD in Angriff, den er 2018 abschloss. Im Vorjahr habilitierte er sich.

Lebenswichtiges Cortisol

Die Hypophyse, zu Deutsch Hirnanhangdrüse, befindet sich an der Basis des Gehirns. „Mich fasziniert, dass ein so kleines, nur etwa kirschkerngroßes Organ für die Steuerung der Hormone und damit der Abläufe im Körper und unseres Verhaltens verantwortlich ist“, sagt Micko. Sie reguliert Vorgänge wie Stoffwechsel, Fortpflanzung, Wachstum oder auch die Cortisolausschüttung. „Ohne Cortisol könnten wir nicht leben, es hat einen dämpfenden Effekt auf das Immunsystem und seine vermehrte Ausschüttung in Stresssituationen stellt Energie bereit. Wird aber durch einen Tumor zu viel davon produziert, kann es zu massiver Gewichtszunahme, Bluthochdruck und Depressionen kommen. Zudem kann dessen Größe Sehstörungen verursachen.“

Der Tumor verdrängt die Hypophyse, die ihre Arbeit daraufhin nur eingeschränkt verrichten kann und ungebremst Hormone ausschüttet. Sogenannte Hypophysenadenome – der Schwerpunkt von Mickos Forschung – zählen zwar prinzipiell zu den gutartigen Tumoren, die von ihnen verursachten Krankheitsbilder haben jedoch drastische Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen. Unbehandelt können sie sogar zum frühzeitigen Tod führen. „Seltene Hypophysenadenome, die ein aggressives Wachstum zeigen, sind außerdem schwieriger zu operieren, da sie in wichtige Gehirnstrukturen mit großen Blutgefäßen einwachsen. Darüber hinaus genügen bereits kleinste verbliebene Tumorreste, und sie können erneut zu wachsen beginnen – trotz des Eingriffs, medikamentöser Behandlung, Strahlen- oder Chemotherapie.“ Eine radikale Entfernung ist jedoch eine Gratwanderung, denn nimmt man gesundes Gewebe mit, kann dies wiederum bleibende Schäden bedingen.

Operiert wird heutzutage fast zur Gänze über einen Zugang durch die Nase, ohne dass eine Öffnung des Kopfs notwendig ist. Ein wichtiges Instrument ist dabei das Endoskop, ein dünnes Rohr mit Lichtquelle und Kamera. Es bietet einen deutlich besseren Überblick über das Operationsgebiet als herkömmliche Operationsmikroskope. Micko erforscht zurzeit, ob sich dieses während des Eingriffs durch bestimmte Lasertechniken, die über das Endoskop eingebracht werden, schonend und möglichst risikolos untersuchen lässt. „Wenn das gelingt, könnten wir genau im richtigen Moment auf Zellebene unterscheiden, wo im konkreten Fall das Hypophysenadenom aufhört und wo das gesunde Gewebe beginnt.“ Die erkrankte Stelle könne dann wesentlich akkurater und ohne unnötiges Entfernen von Gewebe herausgeschnitten werden. Insgesamt würde diese neue Technik die Heilungsrate verbessern.

Für seine Forschung hat Micko schon mehrere Förderungen eingeworben. Im März wurde er mit dem David. L. Kleinberg Prize der Internationalen Hypophysen-Gesellschaft für „Early Career“-Forschende für das beste von Experten geprüfte Manuskript des Jahres 2020 ausgezeichnet. „Das bestärkt mich darin, weiter zu forschen“, freut sich der Neurochirurg über die Anerkennung. Privat erholt er sich seit der Coronapandemie vor allem beim Sport. „Vorher waren Treffen mit der Familie und mit Freundinnen und Freunden, die nichts mit Medizin zu tun haben, mein wichtigster Ausgleich.“

ZUR PERSON

Alexander Micko (36) hat von 2004 bis 2010 an der Med-Uni Wien Medizin studiert. Danach wurde er Assistenzarzt an der Uni-Klinik für Neurochirurgie der Med-Uni Wien/AKH und absolvierte berufsbegleitend ein PhD-Studium, das er 2018 abschloss. Seit 2017 ist er Facharzt für Neurochirurgie, 2020 habilitierte er sich in diesem Fach. Er forscht zu aggressiven Hypophysenadenomen.

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www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2021)

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