Sie war die Pyrotechnikerin am Herd, der Tankwart, die Verbieterin von Computerspielen.
Muttertag

Die Zähmung der Mutter – eine Erzählung

Ich versuchte Mama durch gefälliges Benehmen zu besänftigen. Ich beherrschte es bald, eine Mischung aus Zugeständnis und Zuneigung, Ablehnung und Verachtung zu mixen, um mich damit gegen meine stets ambivalente Mutter zu wappnen.

Das Gesicht der Riesin leuchtet über den Wogen im Saal. Die Leute sitzen gebannt in den Reihen vor dieser Frau am Pult. Sie beugt das Haupt über Papiere und liest die Rede, an der sie die letzten Tage geschrieben hat. Immer wieder schaut sie über den Brillenrand in den Saal. Sie schüttelt das Haar, die wallend weißen Strähnen, wie eine Schaumgeborene, und blickt freudestrahlend ins Licht, als der Applaus beginnt. Er reißt nicht so schnell ab, und es tut ihr gut, ihre Rolle so unterstützt und geschätzt von einem fachkundigen Publikum literarisch auszuspielen und zu beenden. Sie ist die Kunst an sich. Sie macht aus allem Schrift, noch aus ihrer eigenen Schrift hat sie ein neues Werk geschaffen. Auch aus mir, den Strömungen des Alltags.

Ich kenne die Fragen zur Höhe der Gagen, zu den offenen Rechnungen und Mahnungen, zur Krankenversicherung und zu ausstehenden Verträgen während der Phasen persönlicher und ganz allgemein wirtschaftlicher Krisen. Die Pandemie peitschte ihr Gemüt so auf, dass sie fast unterging in der Gischt aus Angst zu verarmen. Sie hat auch diese überwunden. Ihr größter Hemmschuh war die Versagensangst vor der Sprache und in der Literatur.

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