Architektur

Bauen in Poesie – auch in Wien

Ein bemerkenswertes Haus mit zwei Gesichtern: einem städtisch-kompakten und einem zur Sonne hin aufgelösten.
Ein bemerkenswertes Haus mit zwei Gesichtern: einem städtisch-kompakten und einem zur Sonne hin aufgelösten. Paul Sebesta
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Wer die Erderwärmung bis 2050 beschränken will, muss das Bauen revolutionieren. Eine hohe Baukultur heißt, Häuser so zu entwerfen, dass sie von ihren Nutzern über Jahrzehnte geliebt und gepflegt werden. Die gute Nachricht: Solche Häuser finden sich etwa im Sonnwendviertel hinter dem Hauptbahnhof.

Muss, wer ein Haus baut, über die Erde nachdenken? Nicht über den Baugrund, wohlgemerkt, sondern über die Erde als Ganzes. Es hat 50 Jahre gedauert, bis sich Bauherren und Architekten zu einem zögerlichen „Ja“ durchgerungen haben. Die Fakten sind inzwischen bekannt. Wer die Erderwärmung bis 2050 auf das vereinbarte Ziel beschränken will, muss das Bauen revolutionieren, damit die Erde eine gute Wohnung bleiben kann. Bauen ist für ein Drittel der treibhausrelevanten Emissionen verantwortlich und für fast zwei Drittel des Abfalls. Vermeidbarer Verkehr, der durch schlechte Siedlungsstrukturen entsteht, noch nicht eingerechnet. In welche Richtung die Entwicklung geht, wissen wir seit Anfang der 1970er-Jahre, als erstmals über die „Grenzen des Wachstums“ geschrieben wurde. Dass E. F. Schumachers Buch „Small is beautiful“ auch einen Untertitel hatte, der auf den Kern des Problems verweist, wird oft übersehen: „A study of economics as if people mattered“.

Der Gedanke, die „Erde als eine gute Wohnung“ zu verstehen, stammt vom Architekten Bruno Taut, der 1920 ein gleichnamiges Buch publizierte, dessen andere Titel „Die Auflösung der Städte“ und „Der Weg zur alpinen Architektur“ waren. Taut, kein Fantast, sondern der Architekt einiger der besten sozialen Wohnbauten und Siedlungen seiner Zeit, ließ in diesem Buch seiner Fantasie freien Lauf. In dreißig Zeichnungen skizzierte er Stadtkronen und Blumenstädte, die sich über die Erde ausbreiten, aber auch kristallin gefaltete Typenhäuser, die Individualität garantieren sollen. In diesen Skizzen imaginierte Taut eine neue Lebens- und Bauweise für das zweite Jahrtausend. Konsequenterweise folgen im Buch auf die 30 Bildtafeln über hundert Seiten mit nachgedruckten revolutionären Texten von Engels bis zu Tolstoi und Kropotkin.

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