Zukunft Europas

Wo es mehr und wo weniger EU braucht

„Die Krise ist ein produktiver Zustand“, formulierte Max Frisch. Bleibt zu hoffen, dass das irgendwann auch für die EU gilt. Im Bild: Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen.
„Die Krise ist ein produktiver Zustand“, formulierte Max Frisch. Bleibt zu hoffen, dass das irgendwann auch für die EU gilt. Im Bild: Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen.(c) APA/AFP/POOL/LUIS VIEIRA (LUIS VIEIRA)
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Am Sonntag startet die EU-Reformkonferenz samt Bürgerbeteiligung. „Die Presse“ skizziert notwendige Erneuerungsschritte für die Europäische Union anhand der Probleme im Krisenmanagement der vergangenen Jahre.

Mehr bei Krisen und Außenpolitik

Ein Mythos geht um in Europas Hauptstädten. Je emotionaler und deftiger er wiedergegeben wird, umso mehr Menschen schenken ihm Glauben. Jeder der 27 Staats- und Regierungschefs erzählt die Geschichte vom fernen Brüssel, wo unliebsame Entscheidungen in Hinterzimmern getroffen werden, auf seine Weise – die Botschaft aber bleibt dieselbe. Dabei hat das vergangene Krisenjahrzehnt eindrucksvoll die Notwendigkeit einer engeren und gleichermaßen transparenten Kooperation des Staatenbündnisses vor Augen geführt: Dass der Klimawandel sich durch nationale Maßnahmen nicht aufhalten lässt, die Migrationsbewegungen auf dem Kontinent uns alle angehen und eine globale Pandemie nur durch gemeinsame Maßnahmen eingedämmt werden kann, leuchtet jedermann ein. Jetzt gilt es, große Vorhaben auch in die Tat umzusetzen.

Die teils noch unabsehbaren, einschneidenden Folgen der Coronakrise machen die Schaffung einer europäischen Gesundheitsunion unumgänglich. Bessere Datenübermittlung zwischen den Mitgliedstaaten, ein Frühwarnmechanismus sowie eine koordinierte Reaktion bei pandemischer Bedrohungslage sollten künftig Mindeststandards sein.
Doch zu viel Optimismus ist nicht angebracht, wie die Vergangenheit zeigt: Aus der großen Flüchtlingskrise 2015 haben die EU-Staaten bis dato keine ausreichenden Lehren gezogen. Eine grundlegende Reform der Asylpolitik wäre ebenso geboten wie ein fairer Verteilungsschlüssel für Schutzbedürftige; dies alles freilich unter der Voraussetzung einer gemeinsam effizient und human kontrollierten EU-Außengrenze.

Starker Auftritt erwünscht

Auch in der Außenpolitik steht sich die EU noch selbst im Weg, obgleich ein stärkeres Auftreten auf weltpolitischer Bühne notwendig wäre. Nicht nur der zuletzt beim „Sofagate“ von Ankara offensichtlich gewordene Konkurrenzkampf der Institutionen untereinander, auch das nach wie vor gültige Einstimmigkeitsprinzip bei außenpolitischen Entscheidungen im Rat bremsen die Einflussmöglichkeiten der EU in der Welt und verunmöglichen eine starke, einheitliche Linie gegenüber den USA, China oder Russland. Und selbst die Währungsunion steht über zehn Jahre nach der Eurokrise auf wackligen Beinen. Wo bleiben die umfassenden, vertraglich verankerten Kontrollmechanismen zur Wahrung der Währungsstabilität?

„Die Krise ist ein produktiver Zustand“, formulierte der Schweizer Schriftsteller Max Frisch. Bleibt zu hoffen, dass das irgendwann auch für die EU gilt.

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