Formel 1 statt Blumen

Ausflug, Essen gehen, Geschenke: Brauche ich alles nicht. Mein Wunsch zum Muttertag ist schlicht. ✒

Wenn man etwas „ganz Besonderes“ plant, resultiert das gern darin, dass man die Latte zu hoch legt. Man möchte ein besonders tolles Geschenk machen – und schenkt dann eine Entschuldigung: Man werde etwas nachliefern (was man nicht tut). Man möchte einen besonders schönen Ausflug machen – und landet im nächstgelegenen Park (zwei Stunden Autofahrt wären dann doch zu lang). Warum es oft nichts wird? Weil man keine Zeit und keine Energie hat für dieses Extra, das es braucht, damit etwas so wird, dass es das Etikett „besonders“ verdient.

Von den vielen Sonder-Tagen des Jahres (Ostern, Weihnachten, Geburtstage) ist der Muttertag ein ganz besonderer: Man will den von der Grußkartenindustrie erfundenen Feiertag nicht so feiern, wie es die Grußkartenindustrie gern hätte (Grußkarten fallen also weg; Blumen im Zweifelsfall auch; Bonbonniere: diskutabel). Man will den Muttertag aber auch nicht auslassen, weil man doch zeigen will, dass man die Mutter schätzt.

Mein Wunsch für heuer wäre: Nichts besonders. Ich möchte kein Kind oder Kinderfahrrad oder beides einen Berg hinaufschleppen, egal, wie schön die Aussicht ist. Ich möchte mich bei niemandem entschuldigen müssen, dass sich Dreijährige so benehmen, wie sich Dreijährige eben benehmen. Ich möchte in keinem Restaurant Eis vom Boden aufwischen oder Klomuscheln desinfizieren, Gottseidank fällt Essen gehen heuer ohnehin weg.

Ich möchte einen entspannten Tag erleben ohne Streit (unmöglich), ohne Sorgen (noch unmöglicher), ohne Stress (potenziell möglich). Formel 1 schauen, ein bisschen einschlummern dabei. Das wäre schön. ⫻

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2021)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.