Wort der Woche

Biber, eine „bizarre Mischung aus U-Boot und Kettensäge“

Die Dämme, die Biber errichten, sind nicht nur technische Wunderwerke der Natur – die großen Nager passen die Dämme auch ständig an die aktuellen Erfordernisse an.

Biber seien eine „bizarre Mischung aus U-Boot und Kettensäge“, schrieb Ernst Molden einst im „Universum Magazin“. Über Castor fiber und seinen nordamerikanischen Vetter Castor canadensis kann man in der Tat nur staunen: Sie zählen auch zu den versiertesten „Baumeistern“ des Tierreichs.

Ihre Wohnhöhlen graben sie in Uferböschungen. Wenn diese zu niedrig sind, schichten die Biber Haufen aus Zweigen und/oder Erde auf, in die sie von unten eine Höhle hineinfressen – so entstehen „Biberburgen“. In jedem Fall liegt der Eingang zu ihrer Behausung unterhalb des Wasserspiegels. Und damit dies permanent so bleibt – auch in trockenen Zeiten –, legen Biber manchmal Dämme an, die das Wasser aufstauen. Diese sind, je nach Erfordernis, wenige Meter kurz oder mehrere Hundert Meter lang. Sie werden aus Holz, Steinen und Sedimenten errichtet und können unterschiedlichste Ausformungen haben: als Überlauf- oder Durchflussdamm, mit abschnittsweisen Lücken an der Krone oder wasserdurchlässig an ihrer Basis.

Kanadische Hydrologen um Amanda Ronnquist (University of Saskatchewan) haben kürzlich untersucht, wovon die konkrete Bauweise abhängt. Aus der Analyse von 162 Biberdämmen schließen sie, dass Bauart und Höhe v.a. den örtlichen Gegebenheiten geschuldet sind, insbesondere dem zur Verfügung stehenden Baumaterial und dem Charakter des Fließgewässers (Science of the Total Environment, 24. 4.). Überdies ist nachgewiesen worden, dass die Nager ihre Dämme ständig warten bzw. reparieren und sie häufig sogar – binnen Wochen – in einen anderen Typ umbauen, wenn sich der Durchfluss ändert (z. B. in der Schneeschmelze).

Angesichts solcher Raffinesse fragt man sich, wann und wie die Biber auf die „Idee“ gekommen sind, die Eingänge zu ihren Wohnhöhlen auf so aufwendige Weise zu schützen? Darauf fand eine andere kanadische Forschergruppe um Tessa Plint (University of Western Ontario) im Vorjahr eine Antwort: Nachdem die Biber vor rund 24 Mio. Jahren begonnen hatten, sich im Winter von Holz zu ernähren (eine Biberfamilie macht jährlich rund 50 Bäume zu Holzschnitzel), entdeckten sie vor rund neun Mio. Jahren – wohl zufällig –, dass Äste, die sie als Essensvorrat zu ihren Wohnhöhlen schleppten, das Wasser aufstauten. Und dass das ihrer Lebensweise sehr entgegenkommt (Scientific Reports, 4. 8. 2020).

Das ging dann in Fleisch und Blut – also in die Gene – über: Sobald Biber Wasser fließen hören, beginnen sie, Äste aufeinanderzuschichten.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2021)

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