Der ökonomische Blick

So alt wie das Wirtschaftsleben: Ein Abriss der Spekulation

Börse in Frankfurt: Spekulation ist wohl so alt wie das Wirtschaftsleben selbst.
Börse in Frankfurt: Spekulation ist wohl so alt wie das Wirtschaftsleben selbst.REUTERS
  • Drucken

Ein funktionierender Finanzmarkt ist ein System, von dem alle profitieren können – solange nicht zu viele gegen die Regeln verstoßen.

Spekulation ist in der Wirtschaft kein eindeutig definierter Begriff. Sehr oft verbindet man mit Spekulation das Eingehen von hohem Risiko. Man kauft also einen Vermögenswert in der Hoffnung, diesen später mit Gewinn wieder verkaufen zu können. Dabei kann es sich um Grundstücke, Immobilien, Rohstoffe, ein Kunstwerk oder Finanzinstrumente wie Aktien handeln. Spekulanten sind also weniger an der Sache an sich interessiert, sondern hauptsächlich an der Preisentwicklung. Sie möchten das Grundstück nicht selbst bebauen, die teure Flasche Wein nicht selbst trinken, und das wertvolle Bild nicht im Wohnzimmer aufhängen. Auch bei Aktien interessiert sie die Kursentwicklung, und sie werden bei schlechteren Aussichten für die Firma wahrscheinlich lieber woanders investieren.

Spekulantinnen kaufen bei vermeintlich zu niedrigen Preisen, gehen ganz bewusst vermeidbares Risiko ein und verzichten auf Diversifikation.

Spekulation ist wohl so alt wie das Wirtschaftsleben. Seit dem Aufkommen von organisierten Börsen, an denen Waren und Aktien gehandelt werden, wurde der Markt für Spekulation immer größer. Der Mathematiker Louis Bachelier legte 1900 in seiner Doktorarbeit „Théorie de la spéculation“ den Grundstein für die Finanzmathematik. Darauf aufbauende Bewertungsmodelle verhalfen verschiedenen komplizierten Finanzprodukten zu einem großen Aufschwung. Durch den Einsatz von Computern hat sich schließlich das Wesen der Spekulation noch mal sehr verändert. In Zukunft wird die Digitalisierung eine noch viel wichtigere Rolle spielen. Neue Technologien können helfen, vielen Menschen den Zugang zum Finanzmarkt überhaupt erst möglich zu machen, und ihre wirtschaftlichen Lebensbedingungen zu verbessern.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der „Presse"-Redaktion entsprechen.

>>> Alle bisherigen Beiträge

Spekulation hat verschiedene mögliche positive und negative Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben. Eine Spekulantin die sich sehr genau mit verschiedenen Kennzahlen einer Firma beschäftigt, aber auch andere Informationen sammelt und analysiert, wird in solche Unternehmen oder Projekte investieren, die erfolgsversprechend sind. Wenn viele der gleichen Meinung sind, dann werden durch die verstärkte Nachfrage die Aktienpreise steigen. Umgekehrt werden die Preise sinken, wenn Spekulanten an Informationen kommen die zeigen, dass ein Unternehmen schlechte Aussichten hat, an einem Umweltdesaster schuld ist oder ein Mitarbeiteraufstand droht, und das Unternehmen möglicherweise deswegen viel zahlen muss und Verluste macht.

In einem liquiden Markt, wo viel gehandelt wird, spiegeln die Preise die zukünftigen Erwartungen der Marktteilnehmer wider und haben daher einen hohen Gehalt an Information. Das nützt anderen Investoren, die vielleicht nicht so viel Information gesammelt und analysiert haben. Sie können anhand der Preise leichter profitable und vielversprechende Geschäftsideen identifizieren. Das zu investierende Kapital wird dadurch eher in zukunftsfähige Projekte gelenkt. Auch Produzenten sehen anhand der Preise, in welchen Bereichen die Nachfrage größer als das Angebot ist, und können dort verstärkt produzieren. Spekulation unterstützt also die Preisbildung, und führt im optimalen Fall dazu, dass die Preise die wir sehen faire und richtige Preise sind, auf die sich jeder verlassen kann.

Da Spekulanten bereit sind Risiko zu übernehmen, können andere dieses Risiko abgeben. Dadurch wird es oft erst möglich, dass produziert wird. Das gilt für einen Sojabauern, der seine zukünftige Ernte heute schon zu einem Fixpreis verkauft und sich nur deswegen traut, wirklich anzubauen, aber genauso für eine Biotechnologiefirma, die durch große Investoren erst die Möglichkeit hat z.B. einen Impfstoff gegen Corona zu entwickeln.

Für die Wirtschaft oft von Vorteil

Wenn die Ergebnisse der ersten Studien vielversprechend sind, und eventuell sogar eine Zulassung bevorsteht, bedeutet das oft auch große Gewinne für die beteiligten Investoren. In vielen Fällen ist aber ein so eingesetztes Risikokapital auch verloren, weil die Projekte anders laufen als erwartet. Insgesamt ist die Übernahme von Risiko durch Spekulanten und ihr Einsatz von Kapital für die Wirtschaft oft von Vorteil.

Spekulation kann aber auch negative Auswirkungen haben. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn übermäßig viel Risiko eingegangen wird, das Risiko nicht verstanden wurde oder schwer beurteilbar ist, und noch schlimmer, wenn dabei Steuergeld in die Hand genommen wurde und dann große Verluste entstehen. Auch übermäßig hohe Spekulationsgewinne, vielleicht aufgrund von unfairen Handelsbedingungen, Insiderwissen oder irgendwelchen Absprachen, und Spekulationsblasen sind unerwünschte Effekte am Markt.

Neben immer wieder angepassten Rahmenbedingungen und einem erleichterten Zugang zu Finanzmärkten hilft hier nur verlässliche und umfassende Information, sowie ein grundlegendes Verständnis der Zusammenhänge. Nur dann können alle richtige Entscheidungen treffen. Denn ein funktionierender Finanzmarkt ist ein Public Goods Spiel: ein System von dem alle profitieren können solange es nicht zu viele ausnützen und gegen die Regeln verstoßen.

Die Autorin

Hannelore De Silva ist Forscherin am Institute for Finance Banking und Insurance, und am Forschungsinstitut für Kryptoökonomie der WU Wien

Hannelore De Silva
Hannelore De Silva

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der ökonomische Blick

Österreichs Kampf gegen die Inflation ist teuer, klimaschädlich und nicht treffsicher

Österreich befindet sich bei Ausgaben gegen die Inflation im Vergleich von 29 europäischen Ländern an fünfter Stelle. Zu einem großen Teil sind die Maßnahmen jedoch kontraproduktiv für die Klimaziele und nicht treffsicher. Wie das in Zukunft verhindert werden könnte.
Der ökonomische Blick

(Was) verlieren Arbeitnehmer, wenn sie ein paar Monate lang nicht arbeiten gehen?

In unserer jüngsten Studie untersuchen wir die Folgen einer vorübergehenden Abwesenheit vom Arbeitsplatz auf die langfristige Lohnentwicklung ungarischer Arbeitnehmer:innen. Und kamen zu zwei wesentlichen Ergebnissen.
Der ökonomische Blick

Wie der Mietpreisdeckel in der Bevölkerung gesehen wird

Unter Ökonomen besteht ein hoher Konsens darüber, dass die aktuell intensiv diskutierten Mietregulierungen ineffizient sind. Doch welche Effekte dieser Maßnahme sind für die Bevölkerung wichtig und für die hohe Unterstützung in der Öffentlichkeit ausschlaggebend?
Der ökonomische Blick

Wie die Corona-Pandemie Österreichs Immobilienmarkt beeinflusst hat

Wie haben sich Lockdowns, Ausgangsbeschränkungen und Veränderungen in den Arbeitsbedingungen auf den österreichischen Immobilienmarkt ausgewirkt? Eine Bilanz.
Der ökonomische Blick

Sprache und Integration: Die langfristigen Wirkungen der Schulpolitik

Programme für neu eingetroffene Flüchtlinge und Migranten gelten als besonders erfolgreich, wenn sie einen starken Schwerpunkt auf Sprachtraining setzen. Eine empirische Studie aus den USA legt nun nahe, dass die erzwungene Sprachwahl an der Schule nach hinten losgehen kann.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.