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Auch eine Depression macht nur ihren Job

The Mopes
The MopesOliver Vaccaro
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Die Serie „The Mopes“ gibt psychischen Erkrankungen Gesichter – etwa das von Nora Tschirner – und imaginiert sie als Beamte eines totalitären Apparats.

So eine Depression ist schon eine unglaublich bürokratische Angelegenheit. Nicht für den Erkrankten freilich, sondern für die Depression: Jede Verschlimmerung und Abweichung bei ihren Wirten muss sie dokumentieren, ihren Vorgesetzten über dessen Zustand ständig Bericht erstatteten, dauernd Lochkarten in Rohrpost-Kapseln stecken. Den Diensteifrigsten winken immerhin Abzeichen, die sie sich wie Pfadfinder an ihre Uniform heften können. Psychische Erkrankungen als beflissene Beamte, die in einem totalitär organisierten Apparat streng Dienst nach Vorschrift leisten: Das ist die schräge Prämisse, die der neuen deutschen Serie „The Mopes“ von Ipek Zübert – ab Dienstag auf Sky zu sehen – zugrunde liegt.

Konzipiert als Dramedy (oder auch „Sadcom“, wie Serien mit gemischt tragisch-lustiger Tonalität neuerdings genannt werden), führen die sechs Folgen in eine abgedreht-antiquierte „Zentrale für psychische Erkrankungen“, in der die personifizierten Diagnosen scharenweise durch steinerne Hallen und hölzerne Aufzüge marschieren, in ihren senfgelben Socken, dunkelblauen Steppjacken und seltsamen Frisuren. Von wo aus sie in die echte Welt entsandt werden, um ihre zugewiesenen Patienten durch sämtliche Stadien der Erkrankung zu jagen.

Sie legt sich auf ihn, raubt ihm Libido und Appetit

Wie F32.1-2011/01 (Nora Tschirner), eine mustergültige mittelgradige Depression, benannt nach ihrer ICD-Klassifizierung, die gerade den erfolglosen Musiker Mat (Roel Dirven) „betreut“. Routiniert klettert sie in sein Bett und flüstert ihm böse Gedanken ins Ohr („Deine Lieder sind bedeutungslos!“), hält ihn bald vom Essen und Duschen ab, raubt ihm Libido und Lebenslust, legt sich auf ihn wie ein erdrückender Hinkelstein.

Doch sein Krankheitsverlauf trotzt der vorgegebenen Norm: Denn Mat kann seine Depression sehen („Eine Diskrepanzia!“, ortet man in der Zentrale). Er nennt sie Monika. Und sie entwickelt so etwas wie Gefühle. Wird sie jetzt ganz verrückt?

Depressionen sind eben individuell, das wäre einer der Schlüsse, die man aus der ästhetisch schön spinnerten, narrativ eher platt gemachten Serie ziehen kann, die die Erkrankungen von ihrem Stigma befreien will, die Erkrankten dabei aber mit Klischees belädt: Da zerlegt der depressive Ex-Boyband-Sänger ein Hotelzimmer und schafft es einfach nicht, den Klositz runterzuklappen. Immer diese Bad Boys! Deutlich inspirierter geht es in der kurios-dystopischen Zentrale zu. Hier hat eine Panikstörung ziemliche Selbstzweifel, die schweren Depressionen halten sich für das Größte – und wer hätte gedacht, dass die elfenhafte Melancholie ihren französischen Akzent nur vortäuscht?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2021)

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