Tschechien

In Prag bilden sich „Schlangen wie in sozialistischen Zeiten“

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Nach über vier Monaten öffnet das Nachbarland. Kunden stürmen die Läden. Wer ins Restaurant will, muss noch etwas durchhalten.

Seltsame Szenen kann man an diesem Montag in den Prager Einkaufsstraßen mit den vielen kleinen Läden beobachten: dort, wo der Schuhmacher angesiedelt ist, der auch Schlüssel schleift, wo ein Bäcker frisches Brot bis zum Feierabend bietet, wo man bei einem Fleischer fürs Wochenende auch Besonderes vorbestellen kann, wo sich ein Haushaltswarengeschäft, in dem man in der Not auch eine Ersatztasse fürs gute Teeservice aufstöbern kann, ein Reisebüro oder auch ein Antiquariat befinden – Läden mit einer besonderen Atmosphäre. Sie alle waren seit Weihnachten dicht und ließen die beliebten Einkaufsstraßen ein bisschen veröden.
Am Montag ist alles anders: Diese Läden können mit dem Auslaufen der dritten Coronawelle, die Tschechien ereilte, erstmals wieder öffnen. Und häufig sieht man vor den Türen tatsächlich Schlangen von Kunden. Vor einem angesagten Secondhandladen stehen die ersten Kaufwilligen schon eine halbe Stunde vor Öffnung. „Schlangen wie in alten sozialistischen Zeiten“, amüsiert sich eine ältere Dame, die sich noch gut daran erinnern kann.
„Damals haben wir uns angestellt, ohne zu wissen, ob und was es überhaupt zu kaufen gibt. Eine Einkaufstasche hatten wir zur Sicherheit immer dabei.“ Die letzten Schlangen erlebte Prag 1990, als in der Umbruchzeit manches noch nicht funktionierte und es beispielsweise weder Toilettenpapier, Streichhölzer noch Kartoffeln gab. Die Mangelgesellschaft ist längst Geschichte. Aber die Zeiten sind noch immer nicht normal.
Die Schlangen heute haben natürlich ausschließlich mit den Coronaauflagen zu tun. „Auf 15 Quadratmeter Verkaufsfläche darf sich nur eine Person im Geschäft aufhalten“, lautet die Vorschrift. Drinnen muss selbstverständlich auch Maske getragen werden, die seit Montag draußen nur noch bei Menschenansammlungen erforderlich ist. „Bei der Hitze gerade ist das wirklich eine Erleichterung“, sind mehrere Anstehende froh. Andrang gibt es auch vor einem Geschäft mit Bademode. Alle gehen fest davon aus, den Sommer wieder irgendwo am Meer verbringen zu können. „Wenn es denn mit einem Impfpass klappt, der nicht nur in den Nachbarländern, sondern zumindest EU-weit Gültigkeit haben wird.“
Die längsten Schlangen findet man vor Schuhläden. „Wir haben vieles übers Internet eingekauft, aber Schuhe muss man nun einmal anprobieren“, hört man da übereinstimmend.

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