Israel

Eine Nacht der Gewalt und neue Ausschreitungen in Nahost

APA/AFP/MAHMOUD KHATAB
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Die radikalislamische Hamas hat in der Nacht auf Dienstag mehr als 200 Raketen abgeschossen; Israel bombardierte daraufhin den Gazastreifen. Am Dienstag sollen zwei Frauen durch Raketen aus Gaza getöten worden sein.

Mit Luftangriffen auf den Gazastreifen hat die israelische Armee in der Nacht auf massiven Raketenbeschuss reagiert. Der Konflikt  zwischen Israel und den Palästinensern schien auch am Dienstag weiter zu eskalieren. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza kamen bei der jüngsten Gewaltexplosion 22 Palästinenser ums Leben, darunter neun Kinder. In Ost-Jerusalem kam es erneut zu Auseinandersetzungen mit Dutzenden Verletzten.

Mehr als 200 Raketen seien aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert worden, sagte ein israelischer Armeesprecher am Dienstag in der Früh. Die Erfolgsquote des Abfangsystems Eisenkuppel liege bei über 90 Prozent. Rund ein Drittel aller abgefeuerten Raketen sei bereits im Gazastreifen niedergegangen. Wie das Militär weiter mitteilte, wurde ein Wohngebäude in der nördlich des Gazastreifens gelegenen Stadt Ashkelon von einer Rakete getroffen. Rettungskräften zufolge wurden sechs Menschen verletzt.

Nach Angaben des Sprechers flog das Militär bisher rund 130 Angriffe auf Ziele im Gazastreifen. 15 Mitglieder der Hamas und des Islamischen Jihad seien nach derzeitigem Stand getötet worden. Beschossen worden seien Einrichtungen zur Produktion von Raketen, Lager- und Trainingseinrichtungen sowie militärische Stellungen. Zudem seien zwei Tunnel attackiert worden, die unterschiedlich weit fertiggestellt gewesen seien.

Zwei tote Israelis am Dienstag

Im Süden Israels sind am Dienstag auch zwei Frauen durch Raketen aus dem Gazastreifen getötet worden. Wie der israelische Rettungsdienst Magen David Adom mitteilte, starben die 65 und 40 Jahre alten Frauen am Dienstag in der Küstenstadt Ashkelon. Ein Sprecher machte den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen für die Todesfälle verantwortlich.

Die militanten Palästinenser im Gazastreifen hatten am Dienstag ihre Raketenangriffe auf Israel nach Norden ausgeweitet. Nach Angaben der Armee ertönten am Dienstagmittag auch in der Hafenstadt Ashdod Warnsirenen. Die Stadt liegt nördlich von Ashkelon an der Mittelmeerküste, das bereits zuvor massiv beschossen wurde. Die Al-Qassam-Brigaden, der militärische Flügel der im Gazastreifen herrschenden, islamistischen Hamas, hatte sich zu den Angriffen bekannt. Israels Luftwaffe reagiert auf den Beschuss mit Luftangriffen in dem Küstengebiet. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza kamen bei der jüngsten Eskalation der Gewalt 23 Palästinenser ums Leben, darunter neun Kinder.

EU und USA fordern sofortiges Ende der Gewalt

Der israelische Ministerpräsident, Benjamin Netanjahu, hatte den militanten Palästinenserorganisationen davor mit einer harten Reaktion auf den Raketenbeschuss gedroht. Die EU und die USA verurteilten die jüngsten Raketenangriffe aus dem Gazastreifen und forderten ein sofortiges Ende der Gewalt in dem abgeschotteten Küstengebiet und im von Israel besetzten Westjordanland. "Auch wenn alle Seiten Schritte zur Deeskalation unternehmen (müssen), hat Israel natürlich das Recht, sein Volk und Territorium vor diesen Angriffen zu schützen", betonte US-Außenminister Antony Blinken. Israels Außenministerm Gabi Ashkenasi, brach am Dienstag wegen des eskalierenden Konflikts einen Besuch in Südkorea vorzeitig ab.

Nach schweren Zusammenstößen hatten die im Gazastreifen herrschenden Islamisten der Hamas per Ultimatum den Abzug aller Polizisten und Siedler vom Tempelberg (Al-Haram al-Scharif/Das edle Heiligtum) sowie aus dem Viertel Sheikh Jarrah in Ost-Jerusalem gefordert. Als Israel dem nicht nachkam, begann am Montagabend kurz nach 18 Uhr Ortszeit der Beschuss. Bis Dienstag in der Früh ertönten immer wieder Warnsirenen, vor allem in der Peripherie des Gazastreifens und in dAshkelon. Viele Israelis verbachten die Nacht in Bunkern.

Erster Raketenalarm seit Sommer 2014 in Jerusalem

Auch in Jerusalem wurde am Montagabend nach Militärangaben erstmals seit dem Sommer 2014 Raketenalarm ausgelöst. Der Armee zufolge wurden sechs Raketen auch in Richtung der Stadt abgeschossen. Zu Schaden kam dort ersten Berichten zufolge niemand. In der Stadt begingen viele Israelis da den Jerusalem-Tag. Das Land feiert damit die Eroberung des arabischen Ostteils von Jerusalem einschließlich der Altstadt während des Sechstagekriegs 1967.

Auf dem Tempelberg in Jerusalem lieferten sich Palästinenser und die israelische Polizei am Montagabend neue Auseinandersetzungen. Dutzende Menschen seien verletzt worden, berichteten Augenzeugen. Die Polizei setzte Blendgranaten und Gummigeschoße ein, um die Menge auseinanderzutreiben. Auch im von Israel besetzten Westjordanland kam es zu neuen Zusammenstößen. Augenzeugen berichteten über gewaltsame Auseinandersetzungen unter anderem in Ramallah, Nablus und Hebron, bei denen es mehrere Verletzte gegeben habe.

Auch in Ortschaften im Norden und Süden Israels kam es nach Medienberichten zu zahlreichen gewaltsamen Demonstrationen israelischer Araber, bei denen Steine auf Polizisten geworfen wurden. Mehrere Fahrzeuge seien in Brand gesetzt worden. Fernsehreporter verglichen die Vorfälle mit dem zweiten Palästinenseraufstand (Intifada) vor zwei Jahrzehnten.

In der Stadt Lod wurde während Unruhen ein 25-jähriger Araber durch Schüsse tödlich verletzt. Ein 34-Jähriger wurde daraufhin festgenommen, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Nach Medienberichten handelt es sich bei dem Tatverdächtigen um einen jüdischen Einwohner der Stadt. Nach Polizeiangaben wurden bei den landesweiten Ausschreitungen Dutzende Menschen festgenommen.

Der Tempelberg in Jerusalem mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee ist für Juden wie Muslime von herausragender Bedeutung. Es ist die drittheiligste Stätte im Islam. Zugleich standen dort früher zwei jüdische Tempel, von denen der letzte im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde. Die Klagemauer ist ein Überrest jenes zerstörten Tempels und die heiligste Stätte der Juden.

Die Spannungen im Westjordanland und im arabisch geprägten Osten Jerusalems hatten sich seit Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan verschärft. Viele Palästinenser sind zornig, weil die Polizei Bereiche der Altstadt abgesperrt hatte, um Versammlungen zu verhindern. Zudem drohen einigen palästinensischen Familien im Stadtteil Scheich Jarrah Wohnungsräumungen durch israelische Behörden. In den vergangenen Nächten gab es jeweils Konfrontationen.

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