Fortschritt

Der angesagte Digitalisierungsschub bleibt für kleine Unternehmen aus

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Vor allem größere Unternehmen haben die Pandemie genutzt, um digitaler zu werden. Kleinere wurden weiter abgehängt. Abgesehen von Homeoffice ging wenig weiter.

Digitalisierung – kaum ein anderes Schlagwort ist im vergangenen Jahr öfter gefallen, wenn man von möglichen positiven Effekten der Pandemie spricht. Seit Jahren schwören Politik und Wirtschaft auf das Zauberwort, das zugleich alles und nichts bedeutet und letztlich immer mehr zur leeren Worthülse wird. Ob im Handel oder am Arbeitsplatz: Corona sollte jedenfalls ein Digitalisierungsturbo gewesen sein – darin sind sich alle einig.

Gut ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie folgt die ernüchternde Erkenntnis: Abgesehen von veränderten betrieblichen Abläufen – Stichwort Home-Office – ist die Digitalisierung der österreichischen Unternehmen bei Weitem nicht so stark vorangeschritten wie angenommen. Das zeigt der vom Telekom-Anbieter Drei in Auftrag gegebene neue Digitalisierungsindex, der am Dienstag veröffentlicht wurde.

Der digitale Schein trügt

Zwar hätten Großbetriebe, die Industrie und einzelne Branchen wie Bildung, Kultur und Tourismus tatsächlich einen Digitalisierungsschub durchgemacht, diese Vorreiter sind jedoch nur ein kleiner Teil des Gesamtbilds. In anderen schwer betroffenen Branchen haben nur wenige Betriebe weitere Digitalisierungsschritte gesetzt.

Trügerisch sind die vielfach präsentierten Onlineverkaufsrekorde – vor allem im Handel. Profitiert haben hier einmal mehr die Großen – also jene Händler, die schon vor Corona gut ausgebaute Webshops gehabt haben. Kleinere Unternehmen können hier längst nicht mithalten. Gerade einmal jeder zehnte Händler setzte im vergangenen Jahr verstärkt auf neue Onlineabsatzkanäle.

Generell wurden viele Klein- und Kleinstbetriebe von der Krise so massiv getroffen, dass an zusätzliche Investitionen in Digitalisierung nicht zu denken war. Die knapp 20 Prozent der Unternehmen, die man in Österreich grundsätzlich als digitalisiert bezeichnen kann, sind – mit wenigen Ausnahmen – Großbetriebe. „Die Kluft zwischen Klein und Groß hat sich im vergangenen Jahr noch weiter vergrößert“, sagt dazu Drei-Chef Rudolf Schrefl.

Laut Stefan Schiel vom Marktforschungsunternehmen Marketmind haben mehr als die Hälfte der Großunternehmen im Zuge der Pandemie Home-Office oder Videokonferenztools eingeführt oder deren Einsatz verstärkt. Berücksichtigt man auch die kleinen Betriebe, geben aber gerade einmal acht Prozent an, vermehrt videotelefoniert zu haben. Nur sechs Prozent haben in Coronazeiten zum ersten Mal oder verstärkt im Home–Office gearbeitet. In Summe werden flexible Arbeitsmodelle nun in vier von zehn Unternehmen genutzt. Fast die Hälfte der Betriebe arbeitet jedoch auch nach Corona weiterhin ohne Video-konferenzen. Cloud-Services nutzen überhaupt erst 39 Prozent der Betriebe.

IV will digitale Vorreiterrolle

Während die heimischen KMU, das hochgepriesene Rückgrat der heimischen Wirtschaft, in Sachen Digitalisierung also noch großen Aufholbedarf haben, will IV-Präsident Georg Knill Österreich zum digitalen Vorreiter in Europa machen. Das sei dringend nötig, sagt der Chef der Industriellenvereinigung am Dienstag mit Blick auf den steigenden internationalen Wettbewerb: „Asien und Amerika sind uns hier weit voraus. Europa und Österreich müssen gerade bei zukunftsweisenden Schlüsseltechnologien wie künstlicher Intelligenz nachziehen.“

Österreich habe aus Sicht der Industrie speziell in zwei Punkten großen Handlungsbedarf: Neben dem Thema Cybersicherheit, bei dem Knill großen Aufholbedarf ortet, hat für den IV-Präsidenten die rasche Einführung eines elektronischen Identitätsnachweises (E-ID) oberste Priorität: „Es wird Zeit, dass wir mit einer deutlichen Weiterentwicklung der bereits bestehenden Handysignatur an den europäischen Standard anschließen.“ In 35 der 47 Länder in Europa sei eine digitale Identitätslösung bereits im Einsatz, so Knill.

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