Verbietet Österreich Diesel, Benzin, Heizöl und Kohle?

FEATURE TROCKENHEIT  IN KAERNTEN
FEATURE TROCKENHEIT IN KAERNTEN(c) APA (BARBARA GINDL)
  • Drucken

Die Palette der juristischen Mittel gegen die Verursacher der Erhitzung der Atmosphäre ist seit Dienstag reichhaltiger: um eine Verordnung zum Verbot von Öl und Kohle. Ab 2025 soll die Verwendung fossiler Energien stufenweise untersagt werden.

„Ich möchte nicht einer der vielen Hitzetoten in Österreich werden.“ Die Aussage ist klar und deutlich; diesen Satz sagt ein 80-jähriger Pensionist am Dienstag in Wien. Er fürchtet, dass durch die steigenden Temperaturen und die Zunahme von extremen Wetterereignissen sich sein Organismus nicht rasch genug anpassen kann. Deshalb ist er einer von mehreren Personen, die mit einem Antrag die Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) dazu bringen wollen, mit einer Verordnung die Anwendung von Diesel, Benzin, Kerosin, Heizöl sowie Kohle und Koks zu verbieten.

Der Antrag, der von drei weiteren Betroffenen und der Umweltorganisation „Global 2000“ gestellt wird, basiert auf dem Paragrafen 69 der Gewerbeordnung. Darin heißt es, dass die Ministerin „zur Vermeidung einer Gefährdung von Leben oder Gesundheit von Menschen oder zur Vermeidung von Belastungen der Umwelt (§ 69a) durch Verordnung“ Gegenmaßnahmen festlegen kann. Darüber hinaus werden Umweltbeeinträchtigungen im § 69a so definiert: „Belastungen der Umwelt … sind jedenfalls solche nachteiligen Einwirkungen, die geeignet sind, insbesondere den Boden, den Pflanzenbestand oder den Tierbestand bleibend zu schädigen.“ Der Wiener Rechtsanwalt Reinhard Schanda (Kanzlei Sattler & Schanda): „Ein derartiger Antrag ist möglich, wenn jemand im subjektiven Recht auf Gesundheit beeinträchtigt wird. Jede Einwohnerin und jeder Einwohner hat das Recht, dass seine Gesundheit vom Staat geschützt wird“.

Subjektives Recht

Schanda argumentiert juristisch damit, dass das „subjektive Recht auf Erlassung der Verordnung“ von einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs gestützt werde, ebenso von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs. Außerdem gelte die EU-Verordnung 2018/42, in der die Umsetzung der auf der Klimakonferenz von Paris 2015 vereinbarten Ziele für die EU-Mitgliedsstaaten konkretisiert ist. Ins Treffen führt der Jurist die Menschenrechtskonvention und die Grundrechte Charta der EU.

Konkret formuliert der Antrag, die fossilen Energieträger stufenweise aus dem Verkehr zu ziehen. Kohle und Koks sollen ab 2025 tabu, der Einsatz von Heizöl nur noch bis Ende 2029 möglich, und jener von Treibstoffen ab 2035 verboten sein. Eine Ausnahme solle es nur für Flugbenzin geben – Kerosin dürfe, so der Antrag, fünf Jahre länger genutzt werden, wäre somit ab 2040 verboten.

„Es gibt nun drei Möglichkeiten“, so Reinhard Schanda. „Entweder wird dem Antrag gefolgt und die Verordnung erlassen. Wird dem Antrag nicht stattgegeben, dann hat dies in Form eines Bescheids zu geschehen. Möglichkeit drei: Es gibt keine Äußerung der Ministerin dazu.“ Sowohl der Bescheid, als auch eine Nicht-Entscheidung können juristisch bekämpft werden. Die Dauer des innerösterreichischen Instanzenzugs schätzt Schanda auf „zwei bis drei Jahre“. Durchaus möglich können aber auch europarechtliche Verfahren sein.

Ministerium: „Unterliegt nicht dem Gewerberecht"

Der Antrag umfasst 38 Seiten und begründet im Detail die juristische Basis für die Legitimität des Antrags. Auch inhaltlich wird die wissenschaftliche Basis ausgebreitet. Untermauert wird sie mit der Betroffenheit der Personen, die sich dahinter stellen: außer mit dem Fall des Pensionisten auch mit einer Aktivistin von „Fridays for Future“, die aufgrund ihres geringen Alters fürchtet, dass sie der Klimakrise in voller Wucht ausgesetzt sein wird; einer Biobäuerin, die um Erträge und damit ihre wirtschaftliche Existenz bangt; und einem Bürgermeister, der fürchtet, dass seine Gemeinde im Mürztal noch stärker als bisher mit Hochwasserepisoden konfrontiert werde.

Die Sprecherin der Wirtschaftsministerin meint dazu: „Aus gewerberechtlicher Sicht handelt es sich bei einem solchen Vorhaben um eine energielenkende Maßnahme, die nicht dem Tatbestand Gewerbe und Industrie unterliegt. Eine solche Maßnahme wurde im Gewerberecht bereits im Jahr 2000 versucht. Diese Bestimmung wurde vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Die Klimabilanz und die Frage, welche Energieträger in der Wirtschaft eingesetzt werden dürfen (oder – stufenweise oder ganz – verboten werden sollen) ist eine noch viel deutlicher energielenkende Maßnahme als die damals vom VfGH behobene Energieeffizienzbestimmung. Solche Begehren wären zudem im Energierecht zutreffend aufgehoben, und dieses ressortiert im Bereich des Bundesministeriums für Klimaschutz.“

Weitere Klimakrise-Verfahren

Der juristische Vorstoß vom Dienstag ist nicht der erste, der hierzulande anhängig ist. Michaela Krömer, eine Juristin, die unter anderem in Harvard studiert hat und sich auf Verfahren um Menschenrechte und Umwelt spezialisiert hat, hat am 9. April namens von „Fridays for Future“ einen Antrag beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingebracht. In diesem Fall wird juristisch umfangreich argumentiert, dass der Verpflichtung eines Staates, die Gesundheit der Einwohnerinnen zu schützen und Gefahren abzuwenden, in Österreich nur ungenügend Rechnung getragen werde. Außerdem gebe es für die Durchsetzung dieses Rechts innerstaatlich unzureichend Möglichkeiten. Innerstaatlich war im vergangenen Herbst eine Sammelklage, die Greenpeace eingebracht hatte, beim Verfassungsgerichtshof gescheitert.

Klare Worte der Höchstrichter in Karlsruhe

Derartige Verfahren sind kein österreichisches Spezifikum, sondern international der Normalfall. Erst vor kurzem hat eine Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichtshofs für Aufsehen gesorgt. Im Zusammenhang mit dem deutschen Klimagesetz hat der erste Senat in Karlsruhe am 24. März festgestellt, dass die Verbindlichkeit der Zielsetzungen des deutschen Klimaschutzgesetzes ungenügend sei. Dabei wurden auch Leitsätze festgehalten, unter anderem: „Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Grundgesetz, Anm.) schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein, gleich von wem und durch welche Umstände sie drohen. Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen.“

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Die CO2-Ziele für 2030 werden laut BCG-Studie deutlich verfehlt
Autoindustrie

"CO2-Ziele nur mit Verbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2030 möglich"

Mit dem boomenden Verkauf von Elektroautos alleine wird die EU ihre Klimaziele nicht erreichen, heißt es in einer Studie. Möglich sei das nur, wenn es ab 2030 ein Verbot für die Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotor gibt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.