U-Ausschuss

Ermittlungen gegen Kanzler Kurz wegen Falschaussage

Sebastian Kurz
Sebastian Kurz(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
  • Drucken

Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Kabinettschef Bernhard Bonelli werden wegen Falschaussage im U-Ausschuss als Beschuldigte geführt.

Die in Journalisten- und Politiker-Kreisen viel diskutierte „Mai-Bombe“ ist am Dienstag geplatzt. Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Kabinettschef Bernhard Bonelli werden von der WKStA als Beschuldigte geführt. Das bestätigte das Bundeskanzleramt gegenüber der „Presse“.

Grund dafür sind vermutete Falschaussagen im U-Ausschuss, ein Delikt, auf das drei Jahre Haft steht. Kurz und Bonelli hatten angegeben, in die Bestellungen des Öbag-Vorstands Thomas Schmid und die neuen Aufsichtsräte kaum beziehungsweise nicht involviert gewesen zu sein. Die Neos hatten daraufhin eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht und offensichtlich für ausreichend befunden, um einen Anfangsverdacht einer falschen Beweisaussage zu begründen.

Kurz nahm zu den Vorwürfen bei einem Doorstep vor dem Ministerrat Stellung. Einen Rücktritt schloss er für sich und seinen Kabinettschef aus, sagte, dass er davon überzeugt sei, dass sich die Vorwürfe in Luft auflösen werden. Und: „In diesem U-Ausschuss wird ganz bewusst mit Suggestivfragen eine sehr aufgeheizte Stimmung erzeugt. Und ich habe erlebt, dass einem schnell das Wort im Mund umgedreht wird, um Menschen in eine Falschaussage zu drängen."

Er sei sich immer bewusst gewesen, dass der U-Ausschuss ein wichtiges Gremium sei, dem man Rede und Antwort stehen müsse. Er habe sich "stets bemüht", sich "bestmöglich" zu erinnern und "wahrheitsgemäße Angaben" zu machen - zu Themen, die jahrelang zurückliegen und zu Themenbereichen, die er "teilweise nur am Rande mitbekommen" habe. Er sprach auch davon, dass er einer etwaigen Anklage gelassen entgegensehe.

Die Sachverhaltsdarstellung

Die Ermittlungen gehen auf eine Sachverhaltsdarstellung der Neos zurück, sie liegt der „Presse“ vor. Auf 18 Seiten werden hier Aussagen mit den Akten verglichen.

Ein paar Beispiele:

Der Neos-Abgeordnete Helmut Brandstätter befragte Kurz etwa zu den Vorgängen rund um die Bestellung von Thomas Schmid: „Bis zu dem Zeitpunkt, an dem er Ihnen gesagt hat ich möchte mich für diesen ausgeschriebenen Posten bewerben, haben Sie mit ihm nie darüber gesprochen, dass er das werden könnte?“  Kurz darauf: „Nein, es war allgemein bekannt, dass ihn das grundsätzlich interessiert und es war sicherlich auch so, dass immer wieder davon gesprochen wurde, dass er ein potenziell qualifizierter Kandidat wäre.“

Oder, an anderer Stelle wird Bonelli gefragt, ob er in die Bestellung eingebunden war. Brandstätter: „Dass Thomas-Schmid Öbag-Chef werden soll, wussten Sie?“ Bonelli: „Das war eine Entscheidung des Aufsichtsrates. Dasss er sich darum beworben hat, das ist mir bekannt geworden, wie er --, im Zuge dieses Prozesses.“ Er verneint also, davon gewusst zu haben.

Der Akt

Die WKStA hat auf Basis dieses Dokuments Ermittlungen aufgenommen, der Akt liegt der „Presse“vor. Daraus geht hervor, dass das Bundeskanzleramt - anders als behauptet - in viele Entscheidungen um die Staatsholding involviert war.

Schmid schickte etwa an Kurz eine Nachricht mit folgendem Wortlaut: „Schiefer (Anm. Arnold Schiefer, verhandelte für die FPÖ) hatte heute mit Strache und Nemeth ein Gespräch zu Beteiligungen. Sie wollen keine Holding für Infrastruktur. ÖBB und Asfinag sollen bei BMVIT bleiben. Sie wollen direkten Zugriff. Öbib neu so wie wir sie wollen inklusive Verbund ist für FPÖ ok. Sie wollen AWS und BIG im BMVIT dafür. Bei AR und Vorständen haben sie kein Thema ÖVP rein zu lassen bei Infrastruktur. Cooler Deal für ÖVP“.

An anderer Stelle schickte Schmid Kurz ein Organigram der neuen Staatsholding. Sagte, dass er wie von Kurz aufgetragen mit bestimmten Personen gesprochen hat. Er schrieb mit Finanzminister Blümel zur Öbag „Gesetz neu habe ich für Sebastian fertig“. Er teilte Arnold Schiefer in einem Gespräch über die Öbag mit, dass „Sebastian will, dass ich noch bleibe. ich will so schnell wie möglich zur Öbib“. Er schrieb an Kurz: „Lieber Sebastian, Beteiligungen BITTE im BMF belassen.“ Im Februar 2018 sprachen Kurz und Schmid über Medienanfragen zu Schmids angeblicher Bestellung. Es gab einen Termin zwischen Kurz und Schmid wo die Öbib Thema war. Und weitere SMS, wo man sich über die Anzahl der Aufsichtsräte und auch darüber unterhielt, wer das werden könnte. Aus Chats von Thomas Schmid geht hervor, dass sich „Sebastian“ einen neuen Aufsichtsratschef für die Öbag gewünscht hatte - Theodor von Guttenberg. Geworden ist es dann Helmut Kern - daran hat offenbar auch sein Kabinettschef Bernhard Bonelli mitgewirkt.

Die Opposition

In der Türkis-Grünen Regierungsriege gibt es nun schon zwei Beschuldigte: Der Kanzler selbst sowie sein Vertrauter und Finanzminister Gernot Blümel. Weiters ist nun auch Kurz' Kabinettschef Beschuldigter, gegen Öbag-Vorstand Thomas Schmid wird ebenfalls ermittelt.

„Der Zustand der Republik ist besorgniserregend. Kurz und seine Truppe haben es so weit getrieben, dass gegen vier wichtige Repräsentaten in diesem Staat ermittelt wird. Das ist kein Match Opposition gegen Kurz, sondern ein Match, das die Kurztruppe gegen den Rechtsstaat führt. Es gibt einen parlamentarischen U-Ausschuss und dort muss jeder die Wahrheit sagen, auch der mächtige Kanzler. Er und seine Regierungsmannschaft müssen sich langsam die Frage stellen, ob er noch handlungsfähig ist“, sagt Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger zur „Presse“. „Die Ära der Türkisen ist für mich vorbei, auch wenn sie es selbst noch nicht wahrhaben wollen."

FPÖ und SPÖ fordern Kurz' Rücktritt. „Es gibt für den Kanzler jetzt nur zwei Optionen: Rücktritt oder Amtsenthebung. Niemand darf das Parlament belügen. Kurz hat immer gesagt, das Strafrecht ist die Grenze. Und da sind wir jetzt“, sagt SPÖ-U-Ausschuss-Fraktionsführer Jan Krainer zur „Presse“.

„Nachdem ÖVP-Kanzler Kurz nunmehr als Beschuldigter in
einem Strafverfahren wegen mutmaßlicher Falschaussage im
Ibiza-Untersuchungsausschuss geführt wird, ist der Beweis erbracht,
dass die türkise Regierungsmannschaft keinerlei moralische
Legitimation mehr besitzt, dieses Land zu führen“, sagt FPÖ-U-Ausschuss-Fraktionsführer Christian Hafenecker.

Der Grüne Koalitionspartner hielt sich am Mittwoch eher bedeckt. „Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz, die wird die notwendigen Schritte setzen und die Vorwürfe in Ruhe und mit der gebotenen Seriosität klären. Wir werden uns auch weiterhin schützend vor die Justiz stellen und sie unabhängig ermitteln lassen“, sagt David Stögmüller von den Grünen zur „Presse“.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

++ HANDOUT ++ PRAeSENTATION 'COMEBACK-PLAN FUeR DEN TOURISMUS': KURZ
Interview

"Ja, selbstverständlich": Kurz will auch bei Anklage Kanzler bleiben

Er wisse, was er getan und nicht getan habe, erklärte der Kanzler im Interview mit der „Bild live“. In der Politik fühle er sich derzeit "sehr wohl".
Der Ibiza-Untersuchungsausschuss läuft nach den Befragungen bis Mitte Juli und den Endberichten im September aus - offene Fragen bleiben nicht nur für die Opposition.
Umfrage

Hälfte der Bevölkerung will Verlängerung des Ibiza-U-Ausschusses

52 Prozent der Befragten fürchten, dass die Ibiza-Affäre nicht aufgearbeitet würde, wenn der U-Ausschuss nun zu Ende geht. Dass die Chat-Protokolle veröffentlicht wurden, empfinden 60 Prozent als „richtig".
20210608 50. Session of the parliamentary investigation committee concerning the Ibiza affair VIENNA, AUSTRIA - JUNE 8:
Untersuchungsausschuss

Blümel, Köstinger und Sobotka kommende Woche im Ibiza-U-Ausschuss

Ebenfalls zum zweiten Mal soll am Donnerstag Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid vor den Parlamentariern erscheinen.
Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer argumentierte, dass die Opposition ja den Ausschuss neu einberufen lassen könnte.
Nationalrat

Ende für Ibiza-Untersuchungsausschuss ist fix

Die türkis-grüne Koalition hat im Nationalrat den Wunsch der Opposition nach einer Verlängerung abgelehnt. Grünen-Klubchefin Maurer sah sich veranlasst, das Nein ihrer Partei zu verteidigen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.