Morgenglosse

Öffnet die Unter­suchungsausschüsse

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Tribunal? Löwingerbühne? Oder ernsthafte politische Aufklärung? Das Publikum soll entscheiden.

Was sind Untersuchungsausschüsse jetzt eigentlich wirklich? Ein Tribunal, wie der Bundeskanzler meint? Sinnvolle parlamentarische Kontrolle, wie das von der Opposition propagiert wird? Eine politische Löwingerbühne (© Elisabeth Köstinger)? Wie so oft entscheiden die Interessen des Beobachters über den Standpunkt. Wer Angst haben muss, vom U-Ausschuss in ein schlechtes Licht gerückt zu werden, neigt eher dazu, diesen zu diskreditieren. Und wer sich politischen Profit erhofft, wird ihn in den höchsten Tönen loben.

Die unterschiedliche Betrachtungsweise liegt aber auch an der Zwitterfunktion der Untersuchungsausschüsse: Einerseits politisches Gremium, andererseits eine gerichtsähnliche Institution, ausgestattet mit starken Rechten wie jenem, Strafen verhängen zu dürfen sowie der jetzt viel diskutierten Wahrheitspflicht. Wie damit umgegangen wird, hängt stark von den handelnden Peronen ab: Bei manchen Fragestellern ist nicht klar, ob sie nur unmotiviert sind, oder schlicht unprofessionell. Andere zeigen, dass sie auch als Investigativjournalisten gute Figur machen würden: Bestens vorbereitet und präzise in der Fragestellung bringen sie tatsächlich immer wieder neues ans Tageslicht. Und dann gibt es schließlich noch jene, die sich von Parteipolemik leiten lassen. Ja, von dieser Seite kommen durchaus auch suggestive und unterstellende Fragen.

Macht das alles schon ein „Tribunal" aus? Wohl nicht - vor allem deshalb, weil mit der Reform der Untersuchungsausschüsse vor einigen Jahren der Schutz der Auskunftspersonen massiv gestärkt wurde: Sie können sich jederzeit mit einer „Vertrauensperson“ beraten, es gibt einen „Verfahrensanwalt“, der eigens für die Wahrung der Rechte der Zeugen da ist und einen „Verfahrensrichter“ der ebenfalls auf die Rechtskonformität achtet. Entschlagungsrechte und die Nicht-Zulassung von Fragen werden extensiv eingesetzt - für manche Beobachter zu extensiv.

Ein Grund, warum die Meinungen zu U-Ausschüssen stark divergieren, liegt aber auch darin, dass zwar alle darüber reden, aber kaum jemand sie tatsächlich kennt. Nur Parlamentarier, Journalisten und die Auskunftspersonen wissen tatsächlich, wie die Untersuchungen ablaufen. Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Und dafür gibt es keinen Grund. Der Gedanke, Öffentlichkeit auf Journalisten zu beschränken stammt aus einer Zeit, als erstens stundenlange Übertragungen aus U-Ausschuss-Lokalen mangels Online-Livestreams noch gar nicht möglich waren und zweitens eine Auffassung von Journalisten als „Gate Keeper“ vorherrschte, also dass Journalismus entscheidet, welche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen und welche nicht.

Beides ist überholt, daher sollte man die U-Ausschüsse auch für alle verfügbar machen. Das Gegenargument, dass das Ganze dann zur politischen Show verkommt, ist nicht stichhaltig: Das Showelement gibt es jetzt schon hinter verschlossenen Türen. Bei einer Öffnung könnte sich das Publikum selbst eine Meinung bilden, ob es sich da um Tribunale handelt oder doch um politische Aufklärung.

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