Nachhaltige Chemie

Was Badende in der Alten Donau stört, wird sinnvoll verwertet

Strombucht, Alte Donau
Strombucht, Alte DonauClemens Fabry
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Pro Jahr werden 4000 Tonnen Wasserpflanzen aus der Alten Donau in Wien „geerntet“. Ein Team der Boku kann aus der Masse nun Einweggeschirr für das Donauinselfest und andere Events herstellen. Echt bio und vollständig kompostierbar.

Wer je in Wien in der Alten Donau schwimmen war, kennt die dort wachsenden Wasserpflanzen nur zu gut. Diese Makrophyten sind keine Algen, sondern, wie der Name sagt, „riesige Pflanzen“, die zu 85 Prozent aus Wasser bestehen und zugleich voller Zellulose, Lignin und Proteinen stecken. Die Stadt Wien investiert jährlich etwa eine Million Euro, um die wuchernden Pflanzen mit Mähbooten zu ernten – und dann zu entsorgen.

Denn sie stören nicht nur den Schwimmgenuss der Badenden, sondern können bei Massenwachstum auch das Ökosystem des Gewässers beeinträchtigen. „Bisher wurden die abgemähten Wasserpflanzen entweder verbrannt oder auf Deponien entsorgt“, sagt Thomas Rosenau, Leiter des Instituts für Chemie Nachwachsender Rohstoffe an der Boku Wien. Ein Team um Doktorand Armin Winter und FWF-Schrödinger-Stipendiat Marco Beaumont schaffte nun erstmals eine sinnvolle Verwertung für die etwa 4000 Tonnen Wasserpflanzen, die jährlich aus 170 Hektar der Alten Donau gefischt werden. „Wir wollten das Verfahren einfach halten, keine giftigen Lösungsmittel verwenden und als Produkt etwas Nachhaltiges“, erzählt Rosenau. Also zerlegten die Chemiker im Austrian Biorefinery Center Tulln (ABCT), das vom Land NÖ, der Boku und Industriepartnern finanziert wird, die Wasserpflanzen in einem simplen „Pulping“-Prozess. „Das ist ein Aufschlussverfahren, in dem nur Wasser und Soda zum Einsatz kommen“, erklärt Rosenau. Damit werden Proteine und Lignin abgetrennt: Das Biopolymer Lignin verleiht normalerweise allen Landpflanzen wie Bäumen und „Grünzeug“ ihre Stabilität, es ist aber auch in geringerem Anteil in Wasserpflanzen enthalten.

Was bei dem Pulping übrig bleibt, ist hauptsächlich Zellulose (der Hauptbestandteil von Pflanzen). Nach genauer Charakterisierung der Bestandteile hatte das Team ein Ausgangsmaterial für umweltfreundliche Verpackungen zustande gebracht. „Das ist eine dunkle, grüne Masse, die man gut formen kann und die sich ähnlich wie Papier oder Pappe verhält“, sagt Rosenau. Mit Unterstützung der Stadt Wien ging die Entwicklung am Universitäts- und Forschungszentrum Tulln (UFT) der Boku weiter: Aus der Biomasse der Wasserpflanzen entstehen nun Teller und Becher, die zu hundert Prozent kompostierbar sind, echt bio und keimfrei. „Die Idee war, dass man daraus Schälchen und Teller für Events macht, etwa für das Donauinselfest“, erzählen die Chemiker.

Wer also beim nächsten Donauinselfest eine Bratwurst bestellt, könnte sie auf einem Teller aus den Wasserpflanzen der Alten Donau verspeisen. „Das Einweggeschirr kann überall eingesetzt werden. Praktisch ist, dass das Material genau in der Zeit anfällt, in der die meisten Events sind, nämlich im Sommer, wenn die Wasserpflanzen geerntet werden“, erklärt Rosenau.

Die Chemikerinnen und Chemiker aus Wien und Tulln gingen in der Verwertung der Makrophyten noch weiter, denn beim Pulping wird nicht nur die Festmasse gewonnen, sondern es rinnt auch eine Lösung ab, die Proteine, Lignin und Abbauprodukte enthält. „Wir haben das gleich einmal in eine Biogas-Versuchsanlage bei uns in Tulln gesteckt, und die Methanproduktion funktioniert hervorragend“, schwärmt Rosenau.

Ideen für Biogas und Biodünger

Als zweite mögliche Idee schwebt dem Team vor, aus der Lösung Biodünger zu entwickeln. „Aber das haben wir noch nicht getestet“, sagt Rosenau, der gemeinsam mit Antje Potthast auch das ABCT in Tulln leitet, das als Leuchtturmprojekt der Österreichischen Bioökonomiestrategie und der Boku definiert ist.

Das Team gewann kürzlich den ersten Preis bei der weltweiten Green Chemistry Challenge der Royal Society of Chemistry und hat dabei nicht nur österreichische Mitbewerber ausgebremst, sondern auch Unis wie Harvard, Berkeley und MIT in den USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2021)

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