„Allein geht es nicht“

Porträt. In einer sicheren, wertschätzenden Umgebung wollte sich Sigrid Lumetsberger auf ihren nächsten Karriereschritt vorbereiten. Und die ungeschriebenen Gesetze kennenlernen, die im Management gelten.

Was macht eigentlich ein Commercial Manager? Diese Frage hört Sigrid Lumetsberger, Senior Commercial Managerin beim Schienenfahrzeughersteller Alstom (vormals Bombardier), oft. „Ich stehe an der Schnittstelle zwischen Juristerei und Technik. Meine Aufgabe ist, aus Verträgen das kaufmännisch Beste herauszuholen.“ Dazu befähigen sie zwei Studien, ihr erster Job und ihre Internationalität: Von China bis Schweden war sie schon als Studentin unterwegs. Lumetsberger studierte Export Management, begann als Projektmanagerin in einem technischen Unternehmen und studierte nebenher noch Jus. Ihr Weg war klar.

Bei Alstom baute sie das Commercial Management erst in Österreich, dann in der D-A-CH-Region mit auf. Fachlich war sie gut unterwegs. Aber da gab es ja noch das Thema Führung. „Ich wollte vorbereitet sein.“ Vorbereitet und eingeführt in die Mechanismen, „die ungeschriebenen Regeln, die überall gelten“.

2019 bewarb sich Lumetsberger für „Zukunft.Frauen“, das Führungskräfteprogramm von BMDW, WKO und IV (siehe Kasten). Sie wollte nicht ins kalte Wasser springen, wenn der nächste Karriereschritt ansteht, sondern „die Regeln und Umgangsformen des Managements in einem sicheren, wertschätzenden Umfeld unter gleichgesinnten Kolleginnen kennenlernen“.

„Mühsame“ Frauen

Welche Regeln sind das? „Ich bin in einer technischen Branche die einzige Frau ohne technischen Hintergrund. Da hält man sich leicht zurück.“ Falsch: Selbstbewusste Wie- und Warum-Fragen sind angebracht – „aber auch, zu erkennen, wann es besser ist, die Klappe zu halten“.

Das Thema Reden entzweit die Geschlechter. „Wir Frauen diskutieren Konflikte aus, bis alles wieder gut ist. Das irritiert die Kollegen und man gilt schnell als ,mühsam‘.“ Sie lernte, langsam zu sprechen, in kurzen Sätzen und mit tiefer Stimme. Beim Präsentieren nicht zu zappeln. Und es bei Meinungsverschiedenheiten auch einmal gut sein lassen. „Oft sind es nur Kleinigkeiten. Aber die müssen einem erst einmal bewusst werden. Dann können wir sie ändern.“ Eine Sache pro Woche nahm sie sich vor, die sie trainierte und festigte. Musste sie sich dafür verbiegen? „Nein. Ich könnte auch mit schriller Stimme eine Frauenquote fordern. Aber mit tiefer Stimme erreiche ich mehr.“ Nebst vielen fachlichen Themen lernte sie auch Regeln abseits der Sprache: Wie sie einen Raum betritt, auf welchen Platz sie sich setzt, dass sie zum Meeting weder als Letzte kommt noch als Erste geht: „In diesen Minuten entscheidet sich, wie man mich wahrnimmt.“

Eines Tages, so hofft sie, werden sich die ungeschriebenen Regeln der Macht ändern. Bis dahin braucht es eine kritische Masse: „Eine einzige Frau in einem zehnköpfigen Vorstandsteam reicht nicht aus. Es müssten schon drei Frauen sein. Mindestens.“ Die dürften anfangs ruhig „mühsam“ sein. „Vielfalt ist zu Beginn immer anstrengend. Weil verschiedene Perspektiven mehr Abstimmungsbedarf mit sich bringen.“

Kürzlich nahm sie sich wieder ihre Mitschrift vor: „Das Meiste habe ich verinnerlicht.“ Auch die Erkenntnis, dass „wir Frauen nicht bei uns selbst bleiben, sondern andere mitnehmen müssen“. Das setzt sie begeistert um, etwa in den von ihr mitbegründeten Netzwerken Agenda Bahnindustrie Frauen und dem Alstom Women's Network Vienna. Denn, und das ist ihre wichtigste Erkenntnis: „Allein geht es nicht.“

AUF EINEN BLICK

„Zukunft.Frauen“ Das Führungskräfteprogramm hat das Ziel, mehr Frauen im Vorstand, im Aufsichtsrat und in der ersten Führungsebene zu etablieren, sie zu vernetzen und sichtbar zu machen.

Die gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (BMDW), der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und der Industriellenvereinigung (IV) wurde nach norwegischem Vorbild entwickelt.

Jeder Durchgang besteht aus acht halbtägigen Modulen mit Themenblöcken und Kamingesprächen. Im September 2021 startet der

19. Durchgang, die Bewerbung ist bis

20. Mai 2021 möglich. Kriterien für die Auswahl sind u. a. mindestens fünf Jahre Führungserfahrung, Branchen- und Fachwissen und ein geplanter nächster Karriereschritt.

Weitere Informationen unter www.zukunft-frauen.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2021)

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