Was der „perfekte“ Händedruck kann

Verhalten. Mit dem Ende der Pandemie wird das Händeschütteln zurückkehren, ist Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher überzeugt. Aber auch, dass wir dauerhaft mehr Abstand halten.

Ja, es gibt ihn, den „perfekten“ Händedruck: ein fester, vollständiger Griff mit trockener Handfläche, der zwei bis drei Sekunden dauert und bei dem dreimal mit mittlerer Kraft geschüttelt wird. Augenkontakt inklusive.

Wer diesen Händedruck beherrscht, hat bessere Chancen, einen Job zu bekommen, fand Greg L. Stewart von der University of Iowa heraus.

Nur ist es seit März des Vorjahres tabu, die Hand zu reichen. Doch kommt der Handschlag mit dem Ende der Pandemie wieder zurück? Ja, sagt Elisabeth Oberzaucher, „doch unter Umständen nicht mehr so breitenwirksam“.

Ein Jahr ohne Händeschütteln erscheine lang, werde aber nicht genügen, diese Gewohnheit abzulegen, sagt die Verhaltensbiologin, die an der Universität Wien lehrt, Wissenschaftliche Direktorin von Urban Human und einer breiten Öffentlichkeit als Mitglied der Science Busters bekannt ist. Der Händedruck sei in vielen Kulturen ein „Brauch, der gelernt ist, allerdings von Kindern oft mit großem Unwillen. Offenbar ist es kein biologisches Bedürfnis, anderen Menschen die Hand zu geben.“

Auch wenn es in Österreich diverse gängige Begrüßungsstile wie Bussi-Bussi, Umarmung oder Zunicken gebe, es werde überwiegend beim gewohnten Begrüßungsritual bleiben. Denn Ellbogen-Check und Ghetto-Faust seien keine Alternativen. „Ich empfinde es als aggressiv, wenn mir jemand die Faust entgegenstreckt“, sagt Oberzaucher. Sie erwidere den Gruß zwar, die Verneigung aber hält sie für die geeignetere Geste. „Es gibt über die Ersatzrituale, wie wir sehen, keine Einigkeit. Darum werden wir diese Formen auch wieder ablegen.“ Oberzaucher zieht eine Parallele: „Es ist wie beim Gendern in der Sprache: Es gibt sehr viele unterschiedliche Varianten“, sagt sie unter Verweis auf Binnen-I und Sternchen. „Deshalb fällt es uns auch so schwer, uns ans Gendern zu gewöhnen.“

Zurück zum Händeschütteln: Es gibt, sagt Oberzaucher, Untersuchungen darüber, was man nach dem Händeschütteln tut: Rund ein Viertel führt die Hand zur Nase, um daran zu riechen. Die Hand zu geben ist auch ein Mittel, um die körperliche Distanz zu regulieren. „Die individuelle Distanz ist das Resultat der Aushandlung zwischen Personen. Je kleiner der Abstand, desto besser kenne ich jemanden oder desto mehr mag ich jemanden“, sagt Oberzaucher.

Subtil anstupsen

Corona habe dazu geführt, bewusster über den Abstand zum Gegenüber nachzudenken. Blieb es vor Corona vielfach unkommentiert, wenn man eine fremde Person unabsichtlich leicht gerempelt hatte, sorgt schon eine leichte Berührung aktuell für oft heftige Reaktionen. Überhaupt gebe es derzeit eine Grundgereiztheit. Regelbrecher auf Maskenpflicht und fehlenden Abstand hinzuweisen eskaliere sehr schnell. „Die Emotionalität führt oft zum Gegenteil des Bezweckten: Die Regelbrecher beharren, weil sie den Gesichtsverlust verhindern wollen.“ Wenn sich die Menschen mit Abklingen der Pandemie nicht mehr so bedrängt und beeinträchtigt fühlen, werde es auch hier wieder mehr Gelassenheit geben. Bis dahin sei es besser, Regelbrecher subtil „anzustupsen“. Was nicht immer ganz einfach ist.

„Dieses Distanzverhalten wird eher bleiben“, sagt Oberzaucher. Das könnte auch für die Raumgestaltung in Büros und im öffentlichen Raum beachtenswert sein.

Noch etwas zu Greg L. Stewarts Forschung: Der angesprochene „perfekte“ Händedruck einer Frau ist einprägsamer als der ebenso „perfekte“ Händedruck eines Mannes – was sich in Bewerbungsgesprächen positiv auswirkt.

ZUR PERSON

Elisabeth Oberzaucherist Verhaltensbiologin, lehrt an der Uni Wien und ist Wissenschaftli- che Direktorin von Urban Human. Sie erforscht menschliches Verhalten aus evolutionsbiologischer Sicht. Seit 2016 ist sie Mitglied des Wissenschaft-Kabaretts Science Busters. [ Ingo Pertramer ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2021)

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