Nahostkonflikt

Israelischer Raketenangriff auf internationales Medienbüro in Gaza

Die israelische Armee hat beim Beschuss des Gazastreifens am Samstag auch ein Gebäude internationaler Medien angegriffen.
Die israelische Armee hat beim Beschuss des Gazastreifens am Samstag auch ein Gebäude internationaler Medien angegriffen.(c) REUTERS (MOHAMMED SALEM)
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Berichten zufolge wurden die Bewohner zuvor aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Auch in der Nähe der österreichischen Botschaft in Tel Aviv schlug eine Rakete ein. Die USA starten indes offizielle Vermittlungsversuche im Gaza-Konflikt.

Die Gewalt-Eskalation im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern findet kein Ende. Bei einem Raketenangriff militanter Palästinenser im Gazastreifen auf den Großraum Tel Aviv wurde am Samstag mindestens ein Mensch getötet. Eine Rakete schlug nahe der österreichischen Botschaft im Tel Aviver Vorort Ramat Gan ein, das Botschaftspersonal blieb jedoch unverletzt. Die israelische Armee griff unterdessen beim Beschuss des Gazastreifens ein Gebäude internationaler Medien an.

Insgesamt schlugen nach Angaben der israelischen Polizei zwei Raketen in Ramat Gan ein. Ein 50 Jahre alter Mann wurde dabei nach Angaben von Sanitätern tödlich verletzt. In der Küstenmetropole Tel Aviv - Israels Wirtschaftszentrum - wurde am Samstag drei Mal kurz hintereinander Raketenalarm ausgelöst. Es waren in Tel Aviv immer wieder heulende Warnsirenen und Explosionen zu hören. Es war die achte Angriffswelle auf den Großraum Tel Aviv seit Dienstagabend. Auch in der Wüstenstadt Beersheba im Süden Israels sowie in Grenzorten zum Gazastreifen heulten in der Früh die Warnsirenen, wie das israelische Militär mitteilte.

Internationales Mediengebäude beschossen

Israels Luftwaffe zerstörte indes am Samstag nach Medienberichten ein 14-stöckiges Hochhaus im Gazastreifen, in dem Medienunternehmen wie Associated Press (AP) ihre Büros hatten. Berichten zufolge wurden die Bewohner zuvor aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Es ist das fünfte Hochhaus, das Israels Armee seit Beginn der jüngsten Eskalation am Montag zum Einsturz bringt. Den Angaben zufolge hatte auch der katarische TV-Sender Al-Jazeera ein Büro in dem zuletzt zerstörten Gebäude.

AP reagierte entsetzt. "Das ist eine unglaublich beunruhigende Entwicklung", teilte AP-Präsident Gary Pruitt am Samstag in New York mit. "Wir sind nur knapp einem schrecklichen Verlust von Menschenleben entgangen." Pruitt zeigte sich "schockiert" darüber, dass das israelische Militär ein Gebäude mit Medienbüros zerstörte. Die Welt werde nun weniger darüber erfahren, was in Gaza passiert. Den Streitkräften sei bekannt gewesen, dass das AP-Büro in dem Gebäude untergebracht war. "Wir bemühen uns um Informationen von der israelischen Regierung und sind mit dem US-Außenministerium in Kontakt." Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, twitterte: "Wir haben den Israelis direkt mitgeteilt, dass die Gewährleistung der Sicherheit von Journalisten und unabhängigen Medien eine vorrangige Verantwortung ist." Al-Jazeera zitierte seine Korrespondentin Youmna al-Sayed: "Die Zerstörung ist gewaltig. Kein Ort in Gaza scheint jetzt sicher zu sein." Der Besitzer des Hochhauses habe die israelische Armee erfolglos um mehr Zeit für die Evakuierung gebeten.

Die israelische Armee teilte auf Twitter mit, Kampfjets hätten ein Hochhaus angegriffen, in dem der Militärgeheimdienst der islamistischen Hamas über "militärische Ressourcen" verfügt habe. "In dem Gebäude liegen Büros ziviler Medien, hinter denen die Terrororganisation Hamas sich versteckt und die es als menschliche Schutzschilde missbraucht." Die Hamas positioniere ihre militärischen Mittel absichtlich im Herzen dicht besiedelter Wohngebiete im Gazastreifen.

Ein Sprecher des militärischen Hamas-Arms sagte nach der Zerstörung des Gebäudes, Tel Aviv solle sich auf eine "Antwort vorbereiten, die die Erde erschüttern lässt".

Kinder unter den Opfern

Die amtliche palästinensische Nachrichtenagentur Wafa teilte am Samstag mit, im Flüchtlingslager Shati im Westen von Gaza sei ein Haus getroffen worden. Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums zufolge seien dabei zehn Mitglieder einer palästinensischen Familie getötet worden, darunter acht Kinder. Ein fünf Monate alter Bub überlebte den Angriff demnach.

Auch in Beit Lahia im Norden des Küstenstreifens sowie an anderen Orten wurden laut Wafa Zivilisten getötet. Eine israelische Armeesprecherin sagte, man prüfe die Berichte. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden seit der Eskalation der Gewalt am Montag 140 Palästinenser im Gazastreifen getötet.

In der israelischen Stadt Beersheba wurde nach Polizeiangaben ein Haus durch Raketensplitter getroffen. Es gebe Sachschaden, aber keine Verletzten, hieß es. Auch die israelischen Küstenstädte Ashkelon und Ashdod wurden erneut angegriffen. Wie Israels Armee mitteilte, kamen in Israel durch den Raketenbeschuss der vergangenen Tage acht Menschen ums Leben.

Konflikt Anfang der Woche eskaliert

Der Konflikt zwischen Israel und der im Gazastreifen herrschenden Hamas war zu Wochenbeginn eskaliert. Militante Palästinenser beschießen Israel fortwährend mit Raketen - nach Angaben der israelischen Armee waren es zuletzt bereits 2300. Israel reagiert mit massiven Angriffen in dem Küstengebiet.

Die USA bemühen sich unterdessen intensiv um Deeskalation im Gaza-Konflikt. Wie die US-Botschaft in Israel am Freitagabend mitteilte, landete der Spitzendiplomat Hady Amr auf dem Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv. US-Außenminister Antony Blinken hatte ihn gebeten, sich mit Vertretern beider Seiten zu treffen.

Im dicht besiedelten Gazastreifen leben etwa zwei Millionen Menschen. Die Humanitäre Koordinatorin für die Palästinensergebiete, Lynn Hastings, erklärte, die Vereinten Nationen schätzten, dass wegen der andauernden Feindseligkeiten bereits rund 10.000 Palästinenser ihre Häuser im Gazastreifen hätten verlassen müssen.

Israel und Ägypten halten den Gazastreifen unter Blockade und begründen dies mit Sicherheitserwägungen. Die islamistische Hamas wird von Israel, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Sie hat die Zerstörung Israels zu ihrem Ziel erklärt.

„Tag der Nakba"

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Am Samstag ist Tag der Nakba (Katastrophe). Die Palästinenser gedenken dann der Vertreibung und Flucht Hunderttausender Palästinenser im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948. Es könnte zu neuer Gewalt kommen. In diesem Jahr fällt der Tag zusammen mit dem dritten Tag des Eid-al-Fitr-Festes, des sogenannten Zuckerfestes zum Ende des Ramadans.>>> Der verdrängte Nahost-Konflikt bricht entlang neuer Linien auf [premium]

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Im Südlibanon an der Grenze zu Israel protestierten unterdessen erneut Dutzende Menschen. Unter der Beobachtung von Soldaten näherten sie sich teilweise auch dem Grenzzaun. Darunter waren am Samstag laut Augenzeugen Palästinenser und Anhänger der libanesischen Hisbollah. Einige schwenkten Flaggen, andere bezeichneten sich als "Märtyrer Palästinas". Eine Gruppe versuchte laut Augenzeugen auch, sich dem Grenzzaun zu nähern, wurde von libanesischen Truppen aber abgehalten. Mindestens zwei Demonstranten wurden festgenommen. Israelische Soldaten standen ebenfalls bereit.

Am Freitag war an der Grenze mindestens ein Demonstrant durch israelisches Panzerfeuer tödlich verletzt worden. Der 21-Jährige gelangte mit weiteren Demonstranten über den Zaun auf israelisches Gebiet. Sicherheitskreise und Medien berichteten, dass ein zweiter Demonstrant seinen Verletzungen erlegen sei. Im Hisbollah-Sender Al-Manar wurden diese Berichte später zurückgewiesen. Der zweite Demonstrant werde im Krankenhaus behandelt, hieß es.

Nach UN-Angaben gibt es weltweit rund fünf Millionen palästinensische Flüchtlinge. Rund 2,2 Millionen davon leben in Jordanien, das den meisten auch die jordanische Staatsbürgerschaft gewährt hat. Rund 475 000 weitere leben im Libanon und 550.000 in Syrien. Auch in Jordanien kam es in Amman und nahe der Grenze zu tagelangen Protesten gegen Israel.

(APA/AFP/Reuters)

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