Der lange Schatten des George W. Bush

Die USA verlangten von Österreich den Zugang zu Polizeidaten. Und drohten mit Wiedereinführung der Visapflicht. Die Drohung wirkte.

Was genau mag George W. Bush derzeit so treiben? Seine Memoiren, die im Herbst in deutscher Übersetzung erscheinen sollen, hat der emeritierte US-Präsident verfasst, die Angebote, als gut honorierter Redner aufzutreten, dürften beschränkt sein. Jedenfalls beschränkter als der Einfluss, den politische Akte seiner Amtszeit noch immer ausüben. Die Bestrebungen der USA, mit allen europäischen Staaten Polizeidaten wie DNA-Profile und Fingerabdrücke austauschen zu können, ist so ein Beispiel. Die entsprechende Direktive stammt noch aus der Prä-Barack-Obama-Ära. Und soll jetzt durchgesetzt werden.

Im Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität ist auch der aktuelle Bewohner des Weißen Hauses selten zimperlich. Das kleine Österreich zierte sich lange. Bedenken datenschutzrechtlicher Art wurden vorgebracht. Laut Wiener Juristenexpertise fehlt in den USA eine rechtliche Garantie dafür, dass die Daten unschuldig Verdächtiger gelöscht werden. Washington wollte derartige Einwände nicht verstehen, wiegelte ab - und drohte mit Wiedereinführung der Visapflicht. Nicht nur Wien, sondern auch Berlin und Paris. Einige kleinere Staaten sind eingeknickt. Deutschland und Frankreich leisten noch Widerstand. Und Österreich? Gab gestern Abend klein bei. Michael Spindelegger ist nun lang genug im Amt, um eine außenpolitische Binsenweisheit zu beherrschen: Du sollst einen Großen nicht reizen. Wie? Klingt zynisch? Ist es auch. Aber so funktioniert Realpolitik.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2010)

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