Die halbe Welt lachte über den Berliner Flughafen. Aber zumindest hat er eröffnet. Das Bahnknotenprojekt Stuttgart 21 bleibt indes Fass ohne Boden. Warum laufen Großprojekte „Made in Germany“ immer wieder aus dem Ruder? Besuch in Stuttgart.
Im Herzen Stuttgarts brennt noch Licht. Scheinwerfer beleuchten taghell ein gigantisches Loch, aus dem Kräne in den Nachthimmel ragen. Ein Dauerzustand. Baulärm ist der Soundtrack der schwäbischen Metropole und Arbeiter in farbigen Warnwesten sind ihr ständiger Gast. Seit einem Jahrzehnt wird im engen Talkessel der 630.000-Einwohner-Stadt an „Stuttgart 21“ (S21) gebaut, viereinhalb weitere Jahre werden noch vergehen, bevor der Tiefbahnhof eröffnet. Also falls der Fahrplan dieses eine Mal hält. Eigentlich hätte die Baustelle 2019 geräumt sein sollen, nun also Ende 2025.
Zeit ist Geld. Das gilt noch mehr in Jahren kräftig steigender Baupreise. Das Fiasko lässt sich in Zahlen gießen: 2010 wurden die Kosten des Bahnknotens S 21 auf 4,5 Milliarden Euro taxiert. Inzwischen rechnet die Deutsche Bahn mit bis zu 8,2 Milliarden Euro. Der Rechnungshof geht von zehn Milliarden Euro aus. Er nennt das Projekt „unwirtschaftlich“, der grüne Landesverkehrsminister eine „Fehlinvestition“. Immer mehr Steuergeld wird in die Baugrube gekippt, die zu den größten Europas zählt. Doch zuletzt lief das Drama unter dem Radar der bundesweiten Öffentlichkeit, anders als der Pannenflughafen BER in Berlin, über den sich vor dessen Eröffnung im Herbst 2020 die halbe Welt amüsierte.