Anklage?

Strafrechtler zu Kurz-Verfahren: WKStA wird mehrere Monate brauchen

Bundeskanzler Kurz wird von der WKStA als Beschuldigter geführt.
Bundeskanzler Kurz wird von der WKStA als Beschuldigter geführt. (c) imago images
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Ob eine Anklage erfolgt, könne man zum jetzigen Zeitpunkt "noch nicht so genau sagen". Die Richtervereinigung kritisierte unterdessen die Reaktion der ÖVP auf die Ermittlungen und warnte vor Eingriffen in den Rechtsstaat.

Mit einer Entscheidung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) über Strafantrag oder Einstellung der Ermittlungen gegen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen angeblicher Falschaussage im Ibiza-U-Ausschuss dürfte erst im Herbst zu rechnen sein. Es könnte "schon sechs Monate dauern", sagte der Wirtschaftsstrafrechts-Experte Robert Kert (WU Wien) Sonntag in der "ZiB 2". Die Richtervereinigung kritisierte unterdessen die Reaktion der ÖVP auf die Ermittlungen.

Auf jeden Fall müsse die WKStA den Beschuldigten - also Kurz - vernehmen, auch mit Zeugenbefragungen sei zu rechnen. Damit werde es nicht "wenige Wochen", sondern "schon einige Monate dauern", erläuterte Kert. Ob eine Anklage erfolgt, könne man zum jetzigen Zeitpunkt "noch nicht so genau sagen". Aber Kert hält es doch für "sehr wahrscheinlich". Er könne sich vorstellen, dass ein Strafantrag gestellt wird, "weil die Staatsanwaltschaft sagt, das sind Beweisprobleme und die hat ein Gericht zu klären".

Anklage wahrscheinlicher als Einstellung?

Auch Alois Birklbauer, Strafrechtsexperte der Johannes-Kepler-Universität Linz, hält eine Anklage für wahrscheinlicher als eine Einstellung. Aus dem 58-seitigen WKStA-Papier ergebe sich "jedenfalls der Eindruck, dass nicht alles gesagt wurde, was er gewusst hat" - und das würde für den Tatbestand der "falschen Aussage" reichen. Bereits am Wochenende hatte die Strafrechtlerin Ingeborg Zerbes von der Uni Wien gemeint, der Bericht, den die WKStA zur Einleitung des Ermittlungsverfahrens vorgelegt habe, sei "schon sehr dicht".

Der Salzburger Universitätsprofessor Hubert Hinterhofer kommt in einem - von der Kanzlei von ÖVP-Parteianwalt Werner Suppan in Auftrag gegebenen - Gutachten zum gegenteiligen Schluss: Ein für die Anklage nötiger dringender Tatverdacht der vorsätzlichen unrichtigen Aussage des Kanzlers lasse sich der Mitteilung der WKStA (über die Ermittlungen) nicht entnehmen. Denn deren Ausführungen seien "dafür insgesamt zu spekulativ und unterstellend". "Wenn der Stand der Dinge so bliebe, wäre eine Anklage nicht gerechtfertigt", sagte er in der "ZiB2".

Richter kritisieren Angriffe aus Politik

Die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, kritisierte unterdessen die Reaktionen der ÖVP auf die Ermittlungen. "Die Reaktionen der Politik betreffend die Ermittlungen von Staatsanwaltschaften oder der Justiz waren sehr oft, sage ich jetzt einmal, grenzüberschreitend. Dass es Angriffe oder auch Anschuldigungen auf die Justiz gibt ist jetzt nichts Neues, aber man hat schon das Gefühl, dass die Intensität zugenommen hat", sagte sie im Ö1-"Morgenjournal" am Montag.

Dazu, dass Kurz von politisch motivierten Anzeigen gesprochen hatte, sagte Matejka: "Ob die Anzeige, die Auslöser dieser Ermittlungen ist, politisch motiviert war, das mag ich nicht beurteilen. Aber die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt aufgrund eines Anfangsverdachtes, und das ist völlig unabhängig davon, wer diese Anzeige ursprünglich eingebracht hat. Die Staatsanwaltschaft selbst ermittelt objektiv und nicht politisch motiviert."

Auch Spitzenpolitiker sollten, auch wenn gegen sie selbst ermittelt wird, sachlich bleiben, so die Präsidentin: "Ich denke, die eine oder andere Wortwahl war nicht unbedingt sachlich, es wird immer wieder in den Raum gestellt, dass hier politische Motive im Hintergrund sind und man hier die Objektivität des Verfahrens infrage stellt. Nicht nur jetzt, sondern in den letzten Monaten ist das ja öfters vorgekommen. Und das ist etwas, was bedenklich ist." Denn: "Das greift schon nach und nach den Rechtsstaat an."

Kurz: „Habe Opposition kritisiert"

Mit den Aussagen Matejkas konfrontiert, sagte Bundeskanzler Kurz am Rande eines Pressetermins am Montagvormittag, er habe die Opposition kritisiert: "Jeder, der mit zugehört hat, hat glaube ich herausgehört, wen ich kritisiert habe: Nämlich die Oppositionsparteien, die einfach mit ständigen Anzeigen versuchen, irgendwo Ermittlungsverfahren in die Wege zu leiten. Frei nach dem Motto: 'Irgendwas wird schon hängenbleiben'". Auch unterstrich er einmal mehr, dass er diese Anzeigen als politisch motiviert ansieht: "Mein Team und ich sind zweimal von der österreichischen Bevölkerung gewählt worden", sagte er. "Was ich auch erlebe - seit Jahren - ist, dass versucht wird, mit unterschiedlichen Methoden, irgendetwas zu revidieren, was anscheinend anderen bei Wahlen nicht gelungen ist."

(APA)

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