Ohne rasche Lösung droht der Frieden in Nordirland zum Opfer des Brexit zu werden. Doch London stellt unannehmbare Forderungen an Brüssel und in Belfast sorgt ein neuer DUP-Vorsitzender für eine Radikalisierung.
Die freundlichen Worte nach dem bilateralen Treffen zwischen dem irischen Regierungschef Micheál Martin und dem britischen Premier Boris Johnson verstummten rasch. Nach dem Treffen am vergangenen Freitag machten sich am Wochenende in Dublin wieder Sorgen breit, der Konflikt um Nordirland könnte vor einer weiteren Eskalation stehen. Zum einen zwischen der EU und Großbritannien, weil Johnson ein Protokoll im Austrittsvertrag gänzlich umschreiben möchte. Zum anderen, weil sich unter den nordirischen Unionisten eine Radikalisierung abzeichnet.
Was ist geschehen? Die britische Regierung hatte eine Ende März ausgelaufene Übergangsfrist verstreichen lassen und negiert seitdem die Notwendigkeit von Warenkontrollen zwischen Nordirland und dem Königreich. Nach einer Klage durch die EU-Kommission wegen Nichteinhaltung des Vertrags kündigte das britische Verhandlungsteam um David Frost laut BBC zwar Kontrollen für Lebensmittel ab Oktober an, ließ aber gleichzeitig durchklingen, dass das Protokoll nicht tragfähig sei und neu verhandelt werden müsse. Dieses Protokoll enthält Garantien dafür, dass Nordirland sowohl Teil des britischen als auch des EU-Binnenmarkts bleiben kann. Um die im Karfreitagsabkommen vereinbarte offene Grenze zwischen beiden Teilen Irlands abzusichern, sind darin Warenkontrollen in der Irischen See vorgesehen. Sie sollen verhindern, dass Nordirland zum Einfallstor für Schmuggler und illegale Einfuhren in die EU wird.